Donnerstag, 7. Juli 2011

Luis Filipe, der vergessene Prinz


Am 21. März 1887 wurde im Königspalast von Belém, in Lissabon, ein Infant geboren, über den viele Menschen heute zwar wissen wie er gestorben ist, aber leider kaum ein Mensch kennt heute die Geschichte seines kurzen Lebens.

Der vollständige Name des kleinen Infanten war Luis Filipe Maria Carlos Amélio Vítor Manuel António Lourenço Miguel Rafael Gabriel Gonzaga Xavier Francisco de Assis Bento de Bragança Sachsen-Coburg-Gotha e Orleans.
Er war der erstgeborene Sohn von König Carlos I und seiner Gattin, Königin Maria Amélia, aus dem Hause Orleans.

Als Kronprinz hatte Luis Filipe den Titel eines Prinzen von Beira, und er trug auch den Titel eines Herzogs von Bragança und den Titel eines Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha.
Die Erziehung von Luis Filipe war die eines Thronfolgers.
Er wuchs in einem liebevollen Elternhaus auf, im Schoße einer harmonischen und charismatischen Familie.
Nichtsdestotrotz wuchs er in einer politischen und sozialen sehr schwierigen Zeit auf.
Vor allem das englische Ultimatum von 1890 und die immer häufiger werdenden republikanischen Bewegungen sorgten für eine ständige Krise im Königreich.

Infant Luis Filipe und seinen Lehrern war die schwierige Situation, in der sich die Nation damals befand, sehr wohl bewusst. Dementsprechend bereiteten die Lehrer den Kronprinzen auf seine zukünftige, verantwortungsvolle Aufgabe vor.
Sie zogen ihn zu einem gütigen, intelligenten, ehrlichen und sensiblen Menschen heran, der einen einwandfreien Charakter vorweisen konnte.

Wie ernst es König Carlos I mit der Erziehung seines Erstgeborenen war, sieht man, wenn man sich die Namen der Lehrer anschaut, die ihn von klein auf unterrichteten.
Seine Lehrer waren Oliveira Ramos, der ihn in portugiesischer Literatur unterrichtete, Lopes Praça unterwies ihn in Philosophie und Recht, Garcia Guerreiro in Geographie und Geschichte, der Marques Leitão brachte ihm Mathematik bei, Oberstleutnant José Joaquim de Castro unterwies ihn in Topographie, Ballistik und Taktik und der deutsche Kerausch unterrichtete ihn in deutscher Literatur, Geographie, Philosophie und Geschichte.

Als Luis Filipe 13 Jahre alt war, im Jahre 1900, wurde er der Obhut von Joaquim Augusto Mouzinho de Albuquerque, einem Helden der Afrikafeldzüge, anvertraut.
Mouzinho de Albuquerque weißte den jungen Infanten in der Kriegsführung ein.
Mit all diesen Lehrern und Mentoren wuchs Infant Luis Filipe zu einer charismatischen, humorvollen und starken Persönlichkeit heran.

Diese Persönlichkeit demonstrierte Luis Filipe das erste Mal öffentlich am 25. Mai 1901.
An diesem Tag legte er offiziell den Eid als Thronfolger ab.
Als seine Eltern, der König und die Königin, im Jahre 1906 dem Königreich Spanien einen Staatsbesuch abstatteten, vertrat er als legitimer Thronfolger, König Carlos I im Staatsrat (port.: Conselho de Estado).
Er nahm von da an mehrmals an den Sitzungen des Staatrates teil und er entwickelte mit der Zeit ein gewisses Feingefühl für die Politik.

Das Jahr 1907 wird ein ganz besonderes Jahr im kurzen Leben von Luis Filipe.
Vom 01. Juli bis zum 27 September stattet er den portugiesisch-afrikanischen Kolonien Angola, Moçambique, Cabo Verde, São Tomé und Principe und den englischen Kolonien Rhodesien und Südafrika einen offiziellen Besuch ab.
Seit João VI aus Brasilien zurückgekehrt war – wo er die Jahre der französischen Besatzung in Portugal verbracht hatte – hatte kein Mitglied der königlichen Familie jemals wieder einen Fuß in eine ihrer Kolonie gesetzt.

Diese Reise, die Luis Filipe machte, fand zu einer Zeit statt, in der ausländische Mächte, auch Deutschland, anfingen offen Interesse an den portugiesischen Gebieten zeigen.
Um den Anfängen zu wehren, schickt also der König seinen Sohn ins südliche Afrika, um den vorhandenen Machtanspruch Portugals zu bekräftigen.

Heute würde man sagen, diese Reise war alles andere als sicher, ja manchmal sogar gefährlich.
Aber der Infant und sein Gefolge überstanden alle diese Reise heil und sicher.
Keiner der an dieser Reise teilgenommen hatte, konnte auch nur annähernd ahnen, dass sie den möglichen Gefahren Afrikas entkommen waren, um nur ein paar Monate später Zeugen eines gewaltsamen Mordes, mitten in Lissabon, zu werden, der die königliche Familie, das Königreich Portugal und selbst andere Königreiche tief erschütterte.

Es war am 01. Februar 1908, als der König und die Königin, zusammen mit dem Kronprinzen in Lissabon, mit der königlichen Barkasse eintrafen. Sie hatten einpaar Tage in Vila Viçosa, dem Stammsitz der Braganças, verbracht und kehrten nun an diesem Tag in die Hauptstadt zurück.
Sie wurden von Infante Manuel, dem jüngeren Sohn des Königs, Infante Afonso, dem Bruder des Königs und der Regierung empfangen.

Zusammen bestieg die königliche Familie eine offene Kutsche und begab sich in Richtung des Necessidades-Palastes.
Aber sie kamen nicht weit.
Noch in der Praça do Comercio, kurz vor dem einbiegen in die Rua do Arsenal, wurde aus der Menge heraus auf die königliche Familie geschossen.
Die Attentäter Alfredo Costa e Manuel Buíça treffen König Carlos I im Rücken und im Nacken. Er ist sofort tot.
Infant Luis Filipe wird schwer verwundet und Infant Manuel wird am Arm getroffen. Nur die Königin bleibt unverletzt.
(zu dem Anschlag auf die königliche Familie werde ich bei Gelegenheit in diesem Blog einen Beitrag schreiben!)

Der Thronfolger ist so schwer verletzt, das er den König nur um knapp eine halbe Stunde überlebt.
Sein Bruder Manuel wird noch am selben Tag den verwaisten portugiesischen Thron als Manuel II besteigen.
Luis Filipe stirbt an diesem 01. Februar, noch nicht einmal 21jährig, in den Armen seiner Mutter, der Königin.

Aber mit Luis Filipe stirbt auch die Hoffnung einer ganzen Nation.
Er, der er mit so viel Hingabe und Liebe als zukünftiger König erzogen worden war, starb einen völlig sinnlosen und gewalttätigen Tod.
Luis Filipe wird am 08. Februar 1908 im Mausoleum der Braganças, im Kloster São Vicente de Fora in Lissabon, beigesetzt

Die Monarchie sollte sich von dem blutigen Attentat auf Carlos I und Luis Filipe nie wieder erholen.
Knapp zwei Jahren nach dem Königsmord, musste Manuel II und der Rest der königlichen Familie ins Exil gehen, und in Portugal wurde die Republik ausgerufen.

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