Freitag, 30. September 2011

Gil Vicente - der Vater des portugiesischen Theaters


Deutschland mag das Land der Dichter und Denker sein, aber auch für uns Portugiesen waren Wörter immer eine Leidenschaft.
Seitdem die mittelalterlichen Barden Verse verfassten, hat sich die Liebe zur Sprache, die schiere Freude am Klang von Wörtern – und natürlich an Geschichten – tief in die portugiesische Seele eingegraben.

Wo und wann Gil Vicente, der „Meister des geschriebenen Wortes“ und „Vater des portugiesischen Theaters“, der eigentlich von Haus aus Goldschmied war, geboren wurde, das weiß man heute nicht mehr so genau.
Man vermutet aber, dass er um das Jahr 1465 geboren wurde.
Sowohl die Städte Barcelos als auch Guimarães, beide in Nordportugal gelegen, als auch Lissabon kommen als mögliche Geburtsorte des Poeten, Dramaturgen und Stückeschreibers in die engere Auswahl.
Aber vielleicht ist er auch ganz woanders geboren…

Man weiß, dass er noch recht jung eine gewisse Branca Bezerra ehelichte die ihm zwei Söhne, mit Namen Gaspar und Belchior, schenkte.
Später, nachdem seine erste Frau verstorben war, war er in zweiter Ehe mit Melicia Rodrigues verheiratet, die ihm drei Kinder gebar: Paula, Luis und Valeria.

Um 1500 kam er, wie so viele seiner Zeitgenossen, an den Hof König Manuels I, um dort sein Glück zu machen.
Zunächst arbeitet er für die Königinwitwe Leonor in seinem erlernten Beruf als Goldschmied.
Doch dabei blieb es nicht.

Den 400 Höflingen – 30 Jahre zuvor, unter König João II, waren es lediglich 200 gewesen – fehlte es an Unterhaltung am Hof.
So kam es, dass Gil Vicente im Jahre 1502, vor königlicher Kulisse, sein erstes dramatisches Versdrama aufführte – ein so genanntes „Auto“, ein Versdrama mit gesungenen und getanzten Einlagen.

Dieses erste Auto von Gil Vicente hieß „Monólogo do Vaqueiro“ (dt.: „Monolog des Kuhhirten“) und wurde am Abend des 08. Juni in den königlichen Privatgemächern der Burg Castelo de São Jorge, aus Anlass der Geburt des Thronfolgers João, der zwei Tage zuvor auf die Welt gekommen war, uraufgeführt.
Den „Monólogo do Vaqueiro“ schrieb Gil Vicente damals in spanischer Sprache, um der Mutter des Thronerben, Königin Maria, die von Geburt Spanierin war, zu huldigen.
Der 08. Juni 1502 gilt seitdem als die Geburtsstunde des portugiesischen Theaters.
Gil Vicente rezitierte damals sein Werk lediglich vor König Manuel I, seiner Ehefrau Königin Maria, die noch im Kindbett lag, der Königin Leonor, der Witwe Königs João II, der Königinmutter, Infantin Beatriz und sechs Hofdamen.

Es gefiel, und von nun an bekam Gil Vicente den Auftrag zu allen Festen und offiziellen Anlässen des Hofes Spiele, Komödien, Tragikkomödien und Farcen zu verfassen.
Insgesamt schrieb er 46 Bühnenstücke, die durchweg alle voll scharfem Humor und sozialer Satire sind.

Zum Weihnachtsfest 1502 bat ihn die Königinwitwe Leonor sein „Monólogo do Vaqueiro“ noch einmal aufzuführen.
Doch Gil Vicente fand das dieses Werk für den Anlass nicht angemessen war, und so schrieb für die Weihnachtszeit sein Werk „Auto Pastoril Castelhano“ (dt.: „Das Kastilische Hirtengedicht“), ebenfalls auf spanisch.
Dieses Auto schrieb er nicht nur, sondern er spielte in ihm sogar zum ersten Mal mit.

Gil Vicente lebte in einer Zeit des Wandels.
Ohne ein Blatt vor dem Mund zu nehmen, sagte und schrieb er, was er dachte, in einer offenen, oft derben Sprache – der Sprache des Volkes eben.

Noch nicht einmal 30 Jahre später sollte der große Dichter Luís Vaz de Camões, unter dem Einfluss des Humanismus, schon in einer neuen und kultivierten Sprache, die nur noch die gebildete Elite verstand, schreiben.

Hinter dem burlesken Komödianten Gil Vicente verbarg sich jedoch ein kritischer Beobachter, der die sozialen Umwälzungen seiner Zeit genau registrierte und das Verhalten der Beteiligten treffend darstellte: den verarmten Landarbeiter und Kleinbauern, der für den Sohn den sicheren Futtertrog beim Klerus, für die Tochter den Aufstieg am Hofe suchte, der sich nur zu oft als Abstieg in die Prostitution erwies;
er zeigte den um politischen Einfluss bemühten Klerus und reiche, adelige Nichtstuer und er karikierte die Aufblähungen des Hofes;
stellte Schmarotzer und Emporkömmlinge neben Handwerker und Händler.

Insgesamt verfasste er 46 Werke.
Von diesen 46 Werken schrieb er 16 auf Portugiesisch, 11 auf Spanisch und 19 in einer portugiesisch-spanischen Mischsprache.
Seine bis heute bekannten Werke heißen:

• Monólogo do Vaqueiro oder Auto da Visitação (1502)
• Auto Pastoril Castelhano (1502)
• Auto dos Reis Magos (1503)
• Auto de São Martinho (1504)
• Quem tem Farelos? (1505)
• Auto da Alma (1508)
• Auto da Índia (1509)
• Auto da Fé (1510)
• O Velho da Horta (1512)
• Exortação da Guerra (1513)
• Comédia do Viúvo (1514)
• Auto da Fama (1516)
• Auto da Barca do Inferno (1517)
• Auto da Barca do Purgatório(1518)
• Auto da Barca da Glória (1519)
• Cortes de Júpiter (1521)
• Comédia de Rubena (1521)
• Pranto de Maria Parda (1522)
• Farsa de Inês Pereira (1523)
• Auto Pastoril Português (1523)
• Frágua de Amor (1524)
• Farsa do Juiz da Beira (1525)
• Farsa do Templo de Apolo (1526)
• Auto da Nau de Amores (1527)
• Auto da História de Deus (1527)
• Tragicomédia Pastoril da Serra da Estrela (1527)
• Farsa dos Almocreves (1527)
• Auto da Feira (1528)
• Farsa do Clérigo da Beira (1529)
• Auto do Triunfo do Inverno (1529)
• Auto da Lusitânia, intercalado com o entremez Todo-o-Mundo e Ninguém (1532)
• Auto de Amadis de Gaula (1533)
• Romagem dos Agravos (1533)
• Auto da Cananea (1534)
• Auto de Mofina Mendes (1534)
• Floresta de Enganos (1536)


Das alte Handwerk als Goldschmied verlernte er aber nie, und so fertigte er 1506, für das neu gegründete Hieronymus-Kloster in Belém, eine kostbare Monstranz aus dem ersten afrikanischen Gold das nach Portugal kam.
Diese Monstranz kann heute im Museu Nacional de Arte Antiga (dt.: Nationalmuseum für Alte Kunst) bewundert werden kann.

In mehreren seiner gewagten Spiele griff er die Kirche und vor allem ihr Geschäft mit den Ablassbriefen unverholen an.
Doch die Zeiten hatten sich geändert, und immer mehr brachte ihn seine unverblümte Sprache in Schwierigkeiten.

Im Jahre 1531, als König João III beim Papst „Die Erlaubnis für die Errichtung der Inquisition in Portugal (port.: „Autorização para o estabelecimento da Inquisição em Portugal“) beantragte, ließ der portugiesische Botschafter in Antwerpen Gil Vicentes Auto „Farsa do Clérigo da Beira“ (dt.: „Das Possenspiel des Geistlichen aus Beira“) aufführen.
Die päpstlichen Gesandten, die im Publikum anwesend waren, waren über das Stück alles andere als amüsiert, und beklagten sich daraufhin sogleich beim Papst.

Mit der Einführung der Inquisition wurde es für Gil Vicente und allen anderen, die der Linie der katholischen Kirche nicht treu folgten, zunehmend schwieriger und gefährlicher, sich öffentlich mit gesellschaftskritischen Themen auseinanderzusetzen.

1534 wurde Gil Vicente – der zudem die cristões novos (zum Christentum konvertierten Juden) öffentlich verteidigt hatte – als einen der ersten Opfer der Inquisition der Prozess gemacht.
Er wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er dann in dem Gefängnis Cadeia do Tronco, in der Rua das Portas de Santo Antão in Lissabon, unweit des Rossio, verbüßte.

1536, gleich nach seiner Freilassung, kehrte er noch einmal an den Hof zurück und stellte sich im Prolog seines letzten Autos „Floresta de Enganos“ (dt.: „Urwald der Täuschungen“) als verfolgten und geknebelten Denker dar.
Danach wurde es abrupt still um ihn.

Man vermutet, dass er irgendwann im Jahre 1536, wahrscheinlich an den Folgen der Haft, an unbekannter Stelle verstorben ist.
Jedenfalls ist ab diesem Jahr kein Werk von ihm mehr bekannt und er wird auch nicht mehr, wie bis dahin üblich, in den königlichen Hofdokumenten erwähnt.

Zu seinen Lebzeiten wurden nur wenige seiner Stücke in fliegenden Blättern veröffentlicht.
Aber die wenigen die Verbreitung fanden, erlangten Beliebtheitsstatus und wurden sogar über die damaligen Landesgrenzen bekannt.
So soll z.B. der holländische Philosoph Erasmus von Rotterdam sogar die portugiesische Sprache erlernt haben, nur um die Werke Gil Vicentes im Original lesen zu können.
Auch namhafte deutsche Schriftsteller und Komponisten, wie Emanuel von Geibel, Max Bruch oder Robert Schumann, ließen sich im laufe der Jahrhunderte durch die Werke Gil Vicentes inspirieren.

Im Jahre 1562 gaben sein Sohn Luis und seine Tochter Paula in dem Buch „Copilagem de todas as obras de Gil Vicente“ seine gesammelten, aber nicht ganz vollständigen Werke, zum ersten Mal heraus.
Die nächste Auflage wurde 20 Jahre später, im Jahre 1582, veröffentlicht, war aber bereits von der Zensur der allmächtigen Inquisition, stark gekürzt.
Erst im 19. Jahrhundert wird der große Gil Vicente wieder im Original verlegt.
Im Jahre 1834 erscheint unter der Feder des Portugiesen Barreto Feio, kurioserweise in einem Hamburger Verlag, die dritte Ausgabe der Gesammelten Werke von Gil Vicente.

Donnerstag, 29. September 2011

Teatro Nacional de São Carlos





Das am 30. Juli 1793 fertig gebaute Nationaltheater São Carlos (port.: Teatro Nacional de São Carlos), das bis heute die durch das große Erbeben von 1755 völlig zerstörte Oper (bitte lesen sie hierzu auch meinen Beitrag „Die Oper am Tejo“, vom 11.09.2011!) ersetzt, war nie ein reines Reservat des Hofes, wie es das nicht mehr existierende Opernhaus gewesen war, sondern eher ein Schauplatz des Bürgertums.

Finanziert wurde das Theater, das eigentlich von Anfang an dazu bestimmt war eine Oper zu sein, von einer Gruppe reicher Bürger, die unter dem Prämierminister Marquês de Pombal, aufgestiegen waren.
Vor allem die Familie Quintela, die das damalige Tabakmonopol besaß und die das Grundstück für den Bau des Theaters zur Verfügung stellte, die Familie Cruz Sobrais, die in Brasilien ein Vermögen mit Kaffee gemacht hatte und die Familie Caldas, die im lukrativen Zuckerhandel tätig war, sorgten mit ihrem Geld dafür das der klassizistische Bau in einer Rekordzeit von nur 6 Monaten erbaut wurde.

Am gleichnamigen Platz, dem Largo de São Carlos, im Stadtteil Chiado, gelegen, wurde das Theater von dem im italienischen Bologna geschulten portugiesischen Architekten José da Costa e Silva erbaut, der sich ohne Zweifel von der Mailänder Scala inspirieren ließ.
Das Operngebäude ist von pombalinischen Häusern umgeben.
In jenem direkt gegenüber dem Schauspielhaus, hoch oben im 4. Stockwerk, wurde im Jahre 1888 Fernando Pessoa, einer der größten Dichter und Poeten Portugals, geboren.

Eröffnet wurde das Theater am 31. Juli 1793, durch Königin Maria I, mit der Oper „La Ballerina arnante“, des italienischen Komponisten Domenico Cimarosa.
Zuerst trug die Oper den Namen „Teatro Carlota Joaquina“.
Carlota Joaquina de Bourbon war eine spanische Infantin und heiratete 1790 den portugiesischen Thronfolger Infante João, der Jahre später als König João VI den Thron bestieg.
Die in Marmor gemeißelte lateinische Inschrift an der Außenfassade des Theaters zeugt heute noch von dieser ursprünglichen Namensgebung.
Aber da das Volk die Kronprinzessin Carlota Joaquina, gelinde gesagt, nicht ausstehen konnte, wurde die Oper alsbald von allen nur das „Teatro Italiano“ (dt.: Italienisches Theater) genannt, da früher ausschließlich italienische Opern hier gespielt wurden.

Dies führte so weit, das selbst portugiesische Komponisten ihre Werke nur aufführen konnten, wenn die Opern in italienischer Sprache verfasst waren.
Als Alfredo Keil (bitte lesen sie hierzu auch meinen Beitrag „Alfredo Keil“, vom 22. August 2011), der Verfasser der portugiesischen Nationalhymne, im Jahre 1899 die erste in Portugal verfasste Oper „A Serrana“ hier uraufführte, musste er dies auf Italienisch machen.
Selbst französische oder deutsche Opern, inklusive die Opern von Wagner mussten vor einer Aufführung zuerst ins italienische übersetzt werden!
Italienisch war bis zum Jahre 1910, als die Monarchie stürzte und die Republik ausgerufen wurde, die Sprache der Oper schlecht hin, und so erklärt es sich, warum es heute von bekannten ausländischen Opern hier in Portugal stets eine originale und eine italienische Version gibt.

Der regelmäßige Opernbesuch gehörte Anfang des 19. Jahrhunderts, alsbald zum Leben der kulturell interessierten und begüterten Schichten Lissabons.
Das Teatro Nacional de São Carlos ist eine der ältesten, heute noch existierenden, Opernhäuser Europas.
Von den fünf Logenreihen und insgesamt 600 Sitzplätzen aus kann man Darbietungen von höchster Akustikqualität erleben.

Namhafte Opernsänger und Opernsängerinnen sind in diesem Opernhaus aufgetreten.
Zu erwähnen seien hier die Italiener Ebe Stignani und Mario del Monaco, die hier gemeinsam gastierten, die deutsche Opernsängerin Georgine von Milinkovic, die Schweizerin Elisabeth Glauser, der Finne Heikki Siukola und der Deutsche Klaus König.

Heute geht der Spielplan normalerweise von November bis Juni, aber außerhalb dieser Zeit finden auch andere Konzerte und Theater- und Ballettaufführungen statt.
Seinen Ruf als „Theater des Volkes“ (port.: „Teatro do Povo“) hat sich das Teatro Nacional de São Carlos bis heute erhalten.
So werden, wenn große Opern auf dem Programm stehen, die Aufführungen direkt auf eine riesige Leinwand übertragen, so dass jeder in den Genuss kommen kann, in einer lauen Sommernacht, ein Opernstück zu genießen.

Ein Genuss den sich wirklich jeder leisten kann und sollte!

Mittwoch, 28. September 2011

Die Chronik über den jungen Ritter Rui Garcia Lopes


In meinem Beitrag „Die zwölf von England“, vom 20. August 2011, erzähle ich die Geschichte von zwölf Ritter, die sich im Mittelalter von Portugal auf den Weg nach England machen, um dort die Ehre von zwölf englischen Ladies zu verteidigen.

In dem Beitrag erwähne ich, welchen hohen Stellenwert vor allem portugiesische Ritter (port.: cavaleiro) in dieser Zeit hatten, und nicht nur hier in Portugal, sondern in ganz Europa, vor allem in England und Frankreich.

Heute habe ich, per Zufall, in der Ausgabe der Enzyklopädie der Portugiesischen Geschichte (port.: „História de Portugal“), die im Verlag „Portucalense Editora“ 1934 erschienen ist, einen interessanten Chronikbericht über einen jungen Mann gelesen, der von König Afonso Henriques I seinerzeit in der Stadt Chaves zum Ritter geschlagen wurde.

Die Chronik, die aus dem Jahre 1143 stammt, ist sehr kurz und beinhaltet hauptsächlich die Eidesformel die der König und der angehende Ritter damals wohl benutzt haben.
Sie handelt von einem gewissen Rui Garcia Lopes, der später den König noch einige Jahre als Ritter diente, bis er bei der Eroberung von Santarém und bei der Eroberung von Lissabon, beide im Jahre 1147, von den königlichen Chronisten nicht mehr erwähnt wird.
Höchstwahrscheinlich ist er in diesem besagtem Jahr bei einer dieser Eroberungen, oder kurz davor, ums Leben gekommen.

In der Chronik, die uns eine knappe aber sehr genaue Beschreibung der Worte gibt, die bei der Erhebung des besagten jungen Adligen Rui Garcia Lopes zum Ritter verwendet wurden, wird beschrieben, dass er damals „vor Gott und dem König“ feierlich erklärte

„… Frauen und Schwache zu beschützen, für Gerechtigkeit zu sorgen und die Heilige Kirche gegen Andersgläubige zu verteidigen …“

Weiterhin wird der Moment, da er zum Ritter geschlagen wird, wie folgt dargestellt:

„… so kniete der junge Rui Garcia Lopes feierlich vor den König und der Ritterschaft nieder und Dom Afonso Henriques verkündete mit schallender Stimme: Gott Allmächtiger, der Du uns gegen die Ungläubigen beschützt und der Du uns befohlen hast, auf Erden das Schwert zu brauchen, um die Boshaftigkeit zu bestrafen, und der Du, um das Recht zu schützen, die christliche Ritterschaft eingesetzt hast, mache das dieser Dein Knecht dieses sein Schwert niemals brauche, einen Unschuldigen zu treffen, doch immer Dein Recht und Deine Ordnung zu verteidigen…“

Diese Beschreibung der Aufnahme eines jungen Adeligen in den Ritterstand durch den König drückt mit wenigen Worten das aus, welchen Stellenwert im Mittelalter die Ritter und das Rittertum hatten und welchem Ehrencodex sie folgten.

Dienstag, 27. September 2011

Alheira


In meinem Beitrag „Die 7 Wunder der portugiesischen Gastronomie“, vom 20. September 2011, zähle ich die sieben kulinarischen Spezialitäten auf, die beim Wettbewerb der typisch traditionellen portugiesischen Küche, der Anfang dieses Monats stattgefunden hat, den Sieg davontrugen.

Eines dieser Leckereien, das als Sieger gekürt wurde, ist die in Portugal sehr beliebte und bekannte „Alheira“.
Ich bin heute gefragt worden, was denn eine „Alheira“ sei und wie sie denn so schmecken würde.

Nun, bei der „Alheira“ handelt es sich um eine Wurstspezialität aus dem Norden Portugals, die heute hauptsächlich aus Schweinefleisch und Brot besteht, früher aber eben nicht aus Schweinefleisch bestand, sondern lediglich aus anderen Fleischsorten, wie Hühnchen, Lamm, Ente, Rind, Kalb oder Kaninchen.
Und um gleich die zweite Frage zu beantworten:
Ja, sie schmeckt sehr lecker!

Die Alheira ist eine Erfindung portugiesischer Juden des 16. Jahrhunderts, die dank der Inquisition die damals in Portugal eingeführt wurde, leider nur zwei Möglichkeiten hatten um am Leben zu bleiben.
Entweder sie gingen mehr oder weniger freiwillig ins Exil oder aber sie konvertierten zum katholischen Glauben.
Viele, die sich damals für die Konvertierung entschlossen, übten aber nach dem Übertritt zum Katholizismus weiterhin, im Verborgenen, ihren ursprünglichen jüdischen Glauben aus.

Früher war es in Portugal üblich, die daheim hergestellten Wurstwaren in einem gemeinschaftlichen Räucherofen zu bringen und sie dort alle zusammen zu räuchern.
Da aber die jüdische Religion die Zubereitung und den Verzehr von Schweinefleisch heute wie damals verbietet, kamen die jüdischen Bürger nicht zur Räucherung und konnten so leicht von den anderen Einwohnern identifiziert werden und somit an die allmächtige Inquisition verraten werden.

Um ihr Leben zu retten, begannen die Juden Würste aus anderen Fleischsorten, wie Kalb-, Rind- oder Hähnchenfleisch herzustellen, vermischten das Fleisch mit Brot oder Brotteig, und brachten dann diese koscheren Würste in den Gemeindeofen zum räuchern.
So hatten sie einerseits ihre jüdische Tradition bewahrt, kein Schweinefleisch essen zu müssen, und andererseits nahmen sie offen am Gemeinschaftsleben teil.
Die Christen aber, von den Juden hinters Licht geführt, glaubten nun, ihre jüdischen Mitbürger hätten sich assimiliert und fingen nun selbst an schmackhafte Alheiras herzustellen, allerdings mit Schweinefleisch.

Heute besteht eine Alheira normalerweise aus gekochtem Schweinefleisch, Speck und zu gut einem Drittel aus Weißbrot.
Aber es gibt sie auch noch traditionell aus Rindfleisch, Geflügel und Wild und seit kurzem sogar aus dem in Portugal allgegenwärtigen Bacalhau (dt.Stockfisch).
Aber egal welche Fleischsorte man für diese Wurst auch immer verwendet, die Produktion an sich ist immer die gleiche.

Das Fleisch wird zuerst mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und Paprika gewürzt, dann durch den Fleischwolf gedreht und anschließend wird die so entstandene Masse in Schweine- oder Lammdärme zu Würsten von ca. 30 cm abgedreht.
Danach wird die Alheira zu einem Hufeisen geformt und dann über eine Woche hinweg, jeweils zwei bis drei Stunden täglich, geräuchert.

In Nordportugal, genauer gesagt in der Gegend um die Stadt Mirandela, in der Region um Trás-os-Montes, dort wo die Alheira ursprünglich her ist, wird sie traditionell frittiert mit gekochten Kartoffeln und Gemüse und ein paar Olivenölspritzern serviert und gegessen.
Weiter südlich, auch hier im Lissabonner Raum, wird sie gerne mit Pommes Frites, einem Spiegelei und frischem Salat angeboten.

Aus der ehemals geheimen Wurst der konvertierten Juden ist heute ein ganz normales Essen geworden, das überall hier in Portugal angeboten wird.
Oftmals ist sie das billigste Gericht auf der Speisekarte, was nicht heißen soll das sie auch billig schmecken muss.
Im Gegenteil, eine schmackhafte Alheira, zumal eine aus Wild oder Kaninchenfleisch, kann der reinste Gaumenschmaus sein!

Montag, 26. September 2011

Miradouro de Santa Luzia





In meinem Beitrag „Verwahrloster Aussichtspunkt“, vom gestrigen 25.09.2011, habe ich mich verärgert über den augenblicklichen Zustand des „Miradouro de Santa Luzia“ (port.: „Aussichtspunkt von Santa Luzia“) geäußert und auch ein paar Fotos vom selbigen veröffentlicht.

Heute will ich einmal hier erzählen und zeigen wie schön der Miradouro, der im Stadtteil Santiago liegt, vor ein paar Jahren noch war.

Wie schon hier im Blog erwähnt, ist der Miradouro de Santa Luzia einmal einer der schönsten Aussichtspunkte der Stadt gewesen.
Sowohl der Miradouro und der kleine Park Jardim de Julio de Castilho, der an ihm grenzt, als auch die Kirche die dem Platz den Namen gegeben hat, sind sehr heruntergekommen.

Nichtsdestotrotz hat man von hier eine überragende Sicht über die Alfama und den Tejo. Von Links nach Rechts sind von hier aus die weiße Kuppel des Pantheon und die weißen Türme der Kirchen Igreja de Santo Estêvão und Igreja de São Miguel zu sehen.
Die wunderschöne Aussicht ist teilweise geblieben, aber vieles was der Miradouro einstmals zu bieten hatte, ist leider verloren gegangen.

So gab es einmal in dem Jardim de Julio de Castilho eine kleine Bibliothek in der man z.B. immer die jeweiligen Tageszeitungen lesen konnte.
Diese kleine Bibliothek ist heute leider geschlossen.

Auch die kleine Kirche Igreja de Santa Luzia, die ursprünglich im 12. Jahrhundert von Rittern des Malteserordens errichtet wurde und die auf den Grundmauern der maurischen Burgbefestigung steht, befindet sich die meiste Zeit über für die Öffentlichkeit verschlossen.
An der südlichen Außenmauer der Kirche sind zwei bemerkenswerte Azulejogemälde (port.: painéis de azulejos) von der Azulejofabrik Viúva aus der Stadt Lamego angebracht.
Beide Gemälde stammen aus dem späteren 20. Jahrhundert.
Das eine Azulejogemälde zeigt die Praça do Comércio vor dem großen Erdbeben im Jahre 1755 und das andere stellt die Eroberung Lissabons durch die Truppen des portugiesischen Königs Afonso Henriques dar.

Hätte der Namensgeber des kleinen Parks, der Schriftsteller Julio de Castilho, der einige bedeutende Werke über seine Heimatstadt geschrieben hat, geahnt wie heruntergekommen einmal dieser Ort sein würde, ich glaube er hätte niemals so von Lissabon geschwärmt und so positiv über diese Stadt geschrieben!

Sonntag, 25. September 2011

Verwahrloster Aussichtspunkt





Heute war ich in der Alfama.
Ich musste dort einer Freundin etwas vorbeibringen, die Anfang des Monats in die Rua do Limoeiro gezogen ist.
Nur ein paar Schritte von ihrer Wohnung entfernt befindet sich einer der schönsten Aussichtspunkte (port.: miradouro) der Hauptstadt, der Miradouro de Santa Luzia.

Ich beschloss zum Miradouro zu laufen, weil ich schon seit Jahren nicht mehr dort war, um die Aussicht zu genießen.
Was ich aber zu sehen bekam war allerdings alles andere als ein Genuss.
Ich hatte schon gehört, dass der Miradouro in einem etwas verwahrlosten Zustand sei, dass er aber so heruntergekommen ist hätte ich nie gedacht.

Der kleine Park Jardim de Julio de Castilho, der zum Miradouro gehört, ist etwas heruntergekommen, überall stehen leere Bier- und Weinflaschen herum und dort wo man früher eine der schönsten Aussichten über die Alfama hatte versperren jetzt teilweise Dächer und Fernsehantennen die Sicht.
Ich war über so viel Dreck, Unordnung und Zerstörung einfach nur entsetzt!

In diesem Moment, da ich diese Worte niederschreibe, kann ich es immer noch nicht fassen, das einer der touristischsten Orte Lissabons so heruntergekommen ist.
Man sollte die Verantwortlichen im Lissabonner Rathaus ( port.: Câmara Munícipal de Lisboa) dazu verdonnern, selber einmal mit einem Besen und einer Schaufel den Aussichtspunkt wieder auf Vordermann zu bringen.

Aus sparmaßnahmlichen Gründen gibt es jetzt weniger Müllabführen, Straßenkehrer und Gärtner in Lissabon – und leider nicht nur hier.
Die Stadt aber jetzt total verwahrlosen zu lassen, ist purer Wahnsinn.
Das Bürger einen solchen Platz beschmutzen und vandalisieren ist schon schlimm genug.
Aber die Ignoranz und Unfähigkeit von so manchem Kommunalpolitiker ist zweifelsohne dreist und beschämend!

Samstag, 24. September 2011

Staatsbankrotte in Portugal


In meinem jetzt zu Ende gehenden Urlaub bin ich mehrere Male von meinen brasilianischen und deutschen Freunden gefragt worden wie es sich denn augenblicklich in einem Land leben lässt, das den Schatten eines drohenden Staatsbankrotts schon mal vor Augen hatte und in dem jetzt der Alltag alles andere ist als einfach.

Nun, den Brasilianern habe ich geantwortet, dass es sich hier im Augenblick so leben lässt, wie noch vor einigen Jahren in Brasilien und den Deutschen habe ich versucht die Angst vor mehr Investitionen zu nehmen.
Zwar steht Portugal, nach Einschätzungen von ausländischen Ökonomen die das Land gut kennen, vor einem zweiten Rezessionsjahr in Folge, aber die Bedingungen für eine Erholung ab dem Jahre 2013 sind gut.

Die Exporte ziehen an, vor allem die Automobilproduktion läuft mehr als gut.
Die Regierung packt zudem Reformen an, die zwar hart und schmerzhaft sind, aber das Wachstum mittelfristig stärken sollen.
Für die Zukunft stehen also die Zeichen nicht schlecht, obwohl wir hier in Portugal sehr wohl wissen, das es erst einmal noch schlimmer wird.

Portugal hat in seiner über 800jährigen Geschichte schon mehr als ein Mal in solchen schwierigen finanziellen Situationen gesteckt, aber immer wieder überlebt.
Manche dieser Episoden waren sogar weitaus schlimmer als die von heute, und endeten dann immer mit dem Bankrott des Landes.

Den ersten Staatsbankrott hatte Portugal offiziell im Jahre 1560, als Königin Catarina, Witwe von König João III und Regentin des gemeinsamen Enkels Sebastião, die astronomischen Schulden, die ihr Mann, der König, ihr durch seine dekadente Kolonialpolitik hinterlassen hatte, nicht mehr begleichen konnte.
Als Königin Catarina sich nicht mehr im Stande sah, die genuesischen und deutschen Bankiers, die sich in dem vermeintlichen lukrativen Pfefferhandel verspekuliert hatten, nicht mehr auszahlen konnte, musste sie am 02. Februar 1560 das erste Mal Staatsbankrott anmelden.

Aber es sollte nicht bei diesem einen Mal belieben.

Bereits 41 Jahre später, jetzt unter spanischer Herrschaft, verlor Portugal im Jahre 1601 die Kontrolle über die Gewürzinseln in Asien.
Die Holländer, die bis dahin die wertvollen Gewürze nur durch Portugal beziehen konnten, besorgten sich diese nun direkt in Indonesien.
Nach dem Verlust des Gewürzhandelsmonopols musste der spanische König Filipe III, der als Filipe II in Portugal herrschte, am 30. September 1605 den zweiten portugiesischen Staatsbankrott bekannt geben.
Das er selber eine gravierende Mitschuld an der miserablen finanziellen Lage in Portugal hatte, war damals ein offenes Geheimnis, durfte aber, mit Androhung der Todesstrafe, niemand in Portugal behaupten.

Für die nächsten 229 Jahre sollte Portugal finanziell besser dastehen.

Als mit Tod von König João VI im Jahre 1826 zwischen den zwei königlichen Prinzen Pedro und Miguel ein sinnloser Zwist beginnt, fangen auch die finanziellen Sorgen erneut in Portugal an.
Auf der einen Seite steht die gemäßigt-liberale Partei von Pedro und auf der anderen Seite die konservativ-absolutistische Partei von Miguel, die beide die Nation spalten.
Eine Spaltung die das ganze Land zuerst in eine Krise und später in einen blutigen Bürgerkrieg stürzen sollte.
Und dieser Bürgerkrieg, oder besser gesagt die ungeheuerlichen Kosten die dieser Krieg verursachte, sind denn auch die Ursache für den dritten Staatsbankrott Portugals im Jahre 1834.
König Pedro IV, der später als Sieger aus dem Konflikt hervorgehen sollte, sagte einmal die unvergessenen Worte:
„Der Bürgerkrieg eines Volkes ist schändlicher, verachtenswürdiger und ruinöser als jeder Krieg den man gegen eine andere Nation führen muss!“

Unter Maria II, der Tochter von Pedro IV, erlebt Portugal die finanziell schwierigste Zeit seiner Geschichte.
Insgesamt vier Mal in 15 Jahren, nämlich 1837, 1840, 1846 und 1852, werden Königin Maria II und ihr Gemahl Fernando II sich selber und den Portugiesen das absolute finanzielle Fiasko eingestehen müssen. Dazwischen schlittert das Land von Jahr zu Jahr von Staatsstreich zu Staatsstreich, von einer Instabilität zur nächsten und von einem Chaos in das andere.
Erst ab 1853 wird sich die politische Lage und mit ihr die finanzielle Lage verbessern.

Für die nächsten knappen 35 Jahre wird es so etwas wie ein wirtschaftliches Wachstum in Portugal geben.
Erst unter der Regentschaft von König Carlos I wird sich die Lage dramatisch zuspitzen.

Als Anfang des Jahres 1892 die gesamte Welt ihre erste globale Krise erlebt, kann auch Portugal es nicht verhindern in den Strudel von Schulden, Bankencrashs und Fehlspekulationen der internationalen Finanzmärkte gezogen zu werden.
Im Juni 1892 erklärt Prämierminister José Dias Ferreira, der auch die Finanzen leitet, deshalb öffentlich die Zahlungsunfähigkeit seines Landes, zum achten Mal in der Geschichte.

Der Sturz der Monarchie im Jahre 1910 und die darauf folgenden ersten republikanischen Jahre brachten Portugal mehrere Male an den Rand des finanziellen Kollapses.
Erst als António de Oliveira Salazar 1928 das Finanzministerium übernimmt, verbessert sich die finanzielle Lage in Portugal zunehmend, und Portugal kann seine hohen Staatsschulden in wenigen Jahren begleichen.
Allerdings hat die einfache Bevölkerung nichts von dieser verbesserten Lage, im Gegenteil, die Armut, der Hunger und die Misere sind allgegenwärtig in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Portugal.

Heute durchlebt Portugal wieder eine finanziell schwierige aber nicht hoffnungslose Zeit.
Ein Staatsbankrott konnte bis heute, unter anderem auch durch die Hilfe Deutschlands, erfolgreich abgewendet werden.
Ich bin mir mehr als sicher, das Portugal aus der finanziellen Krise die es gerade durchlebt, gestärkt und selbstsicher hervorgehen wird.

Freitag, 23. September 2011

Die Wandteppiche von Pastrana






In der National Gallery of Art in Washington hat Anfang dieser Woche die Ausstellung „The Invention of Glory – Afonso V and the Tapestrys from Pastrana“ (dt.: Die Erfindung des Glücks – Afonso V und die Wandteppiche von Pastrana / port.: A Invenção da Glória – Afonso V e as Tapeçarias de Pastrana) begonnen, in der die vier weltberühmten Wandteppiche von Pastrana (port.: Tapeçarias de Pastrana) gezeigt werden.

Genau ein Jahr nachdem sie auch hier in Lissabon, im Museu de Arte Antiga, zu sehen waren, werden diese Kunstschätze nun einem breiten amerikanischen Publikum vorgestellt.

Bei den Pastrana-Wandteppichen handelt es sich um vier überdimensionale Tapisserien, die zu den schönsten gotischen Gobelins der Welt gehören.
Sie wurden einst vom portugiesischen König Afonso V in Auftrag gegeben, um die Ereignisse an den Kriegsschauplätzen Arzila und Tanger, an denen Portugal Ende des 15. Jahrhunderts in Nordafrika erfolgreich beteiligt war, zu dokumentieren.

Da es damals den Beruf des Kriegsreporters und des Kriegsfotographen noch nicht gab, musste Afonso V die einzelnen Kriegsschauplätze und Kriegsgeschehnisse auf Wandteppichen, wie damals üblich, bildlich darstellen lassen.
Man kann ohne Zweifel behaupten, dass diese Wandteppiche die Kriegsphotographien der damaligen Zeit sind – ganz besondere Bilder für die Ewigkeit!

Er gab die vier Wandteppiche, die 11 m x 4 m groß sind, und aus feinster Wolle und Seide in einer hervorragenden technischen Qualität hergestellt worden sind, im Jahre 1471 in Auftrag.
Angefertigt wurden sie in den Werkstätten der Weberei Passchier Grenier, in der Stadt Tournai in Flandern, im heutigen Belgien, zwischen den Jahren 1471 und 1475.
Man vermutet, dass König Afonso V damals für jeden einzelnen Wandteppich den Gegenwert von drei portugiesischen Karavellen bezahlt hat!

Sie sollten einzig und allein die portugiesische Kriegspropaganda der damaligen Zeit klar darstellen, ohne gewalttätig oder gar blutig zu wirken.
König Afonso V wollte die Gobelins später in dem Bankettsaal seines Palastes aufhängen, und wer hätte dann schon gerne beim Essen blutige Schlachtszenen an den Wänden gesehen?

Der erste Wandteppich zeigt die Ankunft der Portugiesen in Arzila und trägt den Titel „Landung in Arzila“ (port.: „Desembarque em Arzila“).
Zu sehen ist, wie der König und seine Truppen bei stürmischer See das marokkanische Festland betreten, und sich in Richtung der Festung Arzila begeben.

Im zweiten Wandteppich, der den Titel „Belagerung von Arzila“ (port.: „Cerco de Arzila“) trägt, wirkt die Stadt fast friedlich, mit ihren roten Dächern und weißen Minaretten. Man kann genau sehen, wie auf der linken Seite des Gobelins der König wartend dargestellt wird, während sich auf der rechten Seite die belagerten Bürger der Stadt hinter den dicken Mauern verstecken.

Der dritte Wandteppich zeigt schließlich verschiedene heroische Schlachtszenen und trägt den Namen „Eroberung von Arzila“ (port.: „Tomada de Arzila“).
Bei der Schlacht um Arzila kamen damals schätzungsweise 2.000 Marokkaner um und an die 5.000 von ihnen wurden gefangen genommen.

Auf dem vierten und letzten Wandteppich, der den Namen „Einzug in Tanger“ (port.: „Entrada em Tanger“) trägt, wird die Einnahme von Tanger dargestellt.
Deutlich ist auf diesem Wandteppich, der für mich persönlich der schönste von allen vieren ist, zu sehen, wie von der linken Seite die portugiesischen Truppen die Stadt einnehmen, die in der Mitte des Bildes dargestellt wird, und wie auf der rechten Seite des Wandteppiches die Marokkaner vor den Truppen Portugals flüchten.

Wie die vier Wandteppiche dann ihren Weg von Portugal nach Spanien gefunden haben, ist bis heute ein Rätsel.
Man vermutet entweder, dass sie nach der Schlacht von Toro, bei dem Portugal als Verlierer hervorging, als Kriegsbeute nach Spanien kamen oder aber das sie ein persönliches Geschenk Königs Afonso V an den spanischen Kardinal Mendoza sind, der ihm diese, als Geste der Dankbarkeit für dessen Haltung zu Gunsten der portugiesischen Gefangenen die bei besagter Schlacht festgenommen wurden, schenkte.

Fakt ist, das die Tapisserien nach dem Tod von König Felipe II von Spanien, bei einer öffentlichen Versteigerung eines Teils seines persönlichen Nachlasses, von der Familie des Kardinals Mendoza käuflich erworben wurden.
Im Jahre 1664 vermachte die Familie Mendoza die Wandteppiche der Stiftskirche von Pastrana, in Zentralspanien, in dessen Besitz sie bis heute sind.

Dann gerieten sie über Jahrhunderte hinweg in Vergessenheit.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie von Motten zerfressen, stark verschmutzt und beschädigt, an manchen Stellen sogar mit Löchern von bis zu 20 cm Durchmesser, auf dem Dachboden der Stiftskirche wiederentdeckt.

1930 versuchte der portugiesische Diktator Salazar sie wieder nach Portugal zurückzubringen, doch sein diktatorischer Amtskollege Franco erlaubte ihm lediglich Kopien der vier Wandteppiche zu machen.
Diese Kopien hängen heute im Palast der Herzöge von Bragança (port.: Paço dos Duques de Bragança), in Guimarães.

Im Jahre 2009 wurden die Teppiche, mit der finanziellen Unterstützung der spanischen Stiftung Carlos de Amberes und der Regionalregierung von Kastilien-La Mancha, einem intensiven Restaurierungsprozess in der Teppichmanufaktur Real de Wit in Belgien unterzogen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, welche Herausforderung an die Konzentration die vier Wandteppiche darstellen, denn ein Gesamtbild lässt sich nur schwer erfassen.
Der Teufel liegt bei jedem Teppich im Detail.
Jeder von ihnen ist eine Ansammlung von menschlichen Gestalten, Lanzen, Waffen, Fahnen, Pferden und Schiffen – alles ohne erkennbares Zentrum.
Wahrlich ein Augenschmaus!

Nach Washington, wo die vier Tapisserien bis kommenden Januar zu sehen sein werden, reisen sie nach Dallas, San Diego und Indianapolis weiter.

Donnerstag, 22. September 2011

Miradouro de São Pedro de Alcântara






Neulich war ich mit ein paar guten Freunden im Parque das Nações, dem ehemaligen Expo-Gelände, zu Mittag essen.
Irgendwie kamen wir auf den Lissabonner Aussichtspunkt Miradouro de São Pedro de Alcântara zu sprechen.
Alle, die wir am Tisch saßen, waren wir gemeinsam der Meinung, dass man von diesem Aussichtspunkt eines der schönsten Panoramablicke über Lissabon genießen kann.
Worüber wir uns allerdings nicht alle einig waren, war der Name des besagten Aussichtspunktes.

Stefan, ein herzensguter Mensch, war nur schwer davon zu überzeugen, das ausgerechnet dieser Aussichtspunkt den Namen „São Pedro de Alcântara“ tragen soll, „wo doch der Stadtteil Alcântara so weit weg sei“, meinte er.

Nun, in einem hat er Recht:
der Lissabonner Stadtteil Alcântara liegt wirklich etwas abseits.
Aber „São Pedro de Alcântara“ hat nichts, aber auch gar nichts, mit dem Stadtteil gleichen Namens zu tun.
Zwar haben beide mit dem ursprünglich arabischen Al-Qantarah (bitte lesen sie hierzu auch meinen Eintrag „Al-Qantarah“ vom 16.03.2011) etwas gemeinsam.
Aber während der Stadtteil „Alcântara“ einer von über 30 Ortsnamen ist, die es weltweit mit dem gleichen Namen gibt, ist „São Pedro de Alcântara“ nach dem Heiligen Petrus von Alcántara, einem Heiligen der in der spanischen Stadt Alcántara de Extremadura gewirkt haben soll, benannt!

Das habe ich denn auch versucht meinem Freund Stefan so zu erklären, aber ich werde das Gefühl nicht los, das ich ihn nicht so richtig überzeugen konnte.

Wie dem auch sei, Tatsache ist das dieser Aussichtspunkt wirklich Miradouro de São Pedro de Alcântara heißt!
Er ist einer der ältesten Lissabons. Bereits im Jahre 1839 wurde er, unter der Regentschaft von Königin Maria II, angelegt.

Im Stadtteil Encarnação gelegen, unweit des Bairro Alto, hat man von ihm aus einen atemberaubenden Blick über die Stadt, bis hinüber zur Kathedrale (port.: Sé), der Georgsburg (port.: Castelo de São Jorge), den Stadtteil Graça und den Tejo.
Der Miradouro ist Teil des 600 qm² großen Parks gleichen Namens (port.: Jardim de São Pedro de Alcântara).
An der Balustrade gibt es ein altes Azulejobild, mit dessen Hilfe man einige Gebäude und markante Punkte der Stadt identifizieren kann.

Da der Miradouro viele Bäume hat, lädt er, mit seinen vielen Parkbänken im Schatten, zum verweilen ein.
Allerdings verirren sich tagsüber hauptsächlich Touristen hierher.
Die Lissabonner, zumal die Jugendlichen, die vom nahen Bairro Alto rüberschlendern, schauen vor allem spät abends und in der Nacht vorbei.

Das schöne Denkmal aus dem Jahre 1904, welches Mitten im Park steht, ist dem Journalisten Eduardo Coelho, dem Gründer der Tageszeitung „Diário de Noticias“ gewidmet.

Gegenüber vom Park erhebt sich der Palácio Ludovice, ein majestätischer Stadtpalast, der von dem Deutschen Johann Friedrich Ludwig erbaut wurde und der, unter anderem, auch der Konstrukteur des riesigen Klosterpalastes von Mafra ist.
In diesem Stadtpalast hat der deutsche Baumeister, der später die portugiesische Staatsbürgerschaft annahm und sich dann João Frederico Ludovice nannte, selber Mitte des 18. Jahrhunderts gelebt.

Heute befindet sich im Erdgeschoß des Gebäudes eine Zweigstelle des Solar do Vinho do Porto (dt.: Portwein-Institut), das in der Stadt Porto, in der Quinta da Macieirinha, seinen Hauptsitz hat.
Hier kann man sich mit Leib und Seele dem „Studium“ der Portweine hingeben und unter über 250 roten wie weißen Sorten, darunter auch ein paar Raritäten, auswählen.

Ein Blick vom Miradouro de São Pedro de Alcântara ist schon, wie berichtet, etwas Außergewöhnliches.
Aber ein Sonnenuntergang von hier aus, wird einem garantiert für immer positiv in Erinnerung bleiben!

Mittwoch, 21. September 2011

Anstatt Blumen – Schulden aus Madeira


Das Inselarchipel Madeira, mitten im Atlantik gelegen, wird oft die „Blumeninsel“ (port.: Ilha das Flores) oder „Blume des Ozeans (port.: „Flor do Oceano“) genannt.
Dank seines mild-tropischen Klimas sind die Temperaturschwankungen auf der Insel, das gesamte Jahr über, sehr gering.
Auf der Insel wachsen so die verschiedensten Palmen, Stauden, Araukarien, Yuccas, Bambus, Baumfarne, Kamelien, Begonien, Bougainvilleen und viele andere Bäume und Blumen mehr.

Doch nun wird das politische Klima auf Madeira zunehmend frostiger und die Blumeninsel verwandelt sich, dank der Politik von Alberto João Jardim, seines Zeichens Präsident der Regionalregierung, immer mehr zu einer „Schuldeninsel“.

Seit nun gut einer Woche ist bekannt, dass Alberto João Jardim drei Jahre lang Schulden im Wert von 1,1 Milliarden Euro nicht deklariert hat.
Wie das Nationale Amt für Statistiken (port.: Instituto Nacional de Estatística) und die Bank von Portugal (port.: Banco de Portugal) heute mitteilten, sind diese 1,1 Milliarden Euro wohl nur der Anfang.
Man geht davon aus, dass noch weitere Millionen Euroschulden folgen werden.

Keiner will etwas gewusst haben, weder das Nationale Statistikamt noch die Nationalbank, weder der Prämierminister noch seine Regierung oder der Präsident der Republik.
Fünf staatliche Institutionen wollen von diesem überdimensionalen Finanzloch einfach nichts gewusst haben!
Ich selber glaube nicht daran, oder besser gesagt, ich will an so viel Unwissenheit einfach nicht glauben.
Denn entspricht dies der Wahrheit, dann ist es um Portugal wahrlich schlecht bestellt!

Fakt ist, das dieser kleine, cholerische Mann von der Insel dafür gesorgt hat, dass das Defizit Portugals, trotz aller Sparmaßnahmen der Regierung, immer mehr wächst!

Nicht das diese versteckten Milliardenschulden überraschend gekommen wären, denn bei Alberto João Jardim muss man auf alles gefasst sein.
Nein, was viel schockierender ist, ist das dieser Lokaldiktator sich keinerlei Schuld bewusst ist und er nicht haftbar gemacht werden kann!

Mit seinem unverantwortlichen und politisch-unkorrekten Verhalten bringt er das portugiesische Mutterland nicht zum ersten Mal in große Schwierigkeiten.
Aber trotz seines schroffen, größenwahnsinnigen und unhöflichen Verhaltens, ist er bei der Lokalbevölkerung ungebrochen beliebt, da er mit den Jahren für Madeira viele Vorteile herausschlagen konnte, ironischer Weise auch dank der hohen Regionalförderungen der Europäischen Union.

Jardim, der die bevorstehenden Regionalwahlen im nächsten Monat zweifellos gewinnen wird, hat nun aber den Bogen wohl zu weit gespannt.
Denn nun bringt er seine eigenen Parteifreunde, allen voran Staatspräsident Anibal Cavaco Silva und Premierminister Passos Coelho, in arge Bedrängnis.

Wie soll man von den europäischen Partnern weiterhin die begehrten EU-Hilfsgelder verlangen, wenn im eigenen Land keine Ordnung herrscht?
Eine Frage die sowohl Staatspräsident als auch Premierminister alsbald nicht nur ihren europäischen Amtskollegen beantworten müssen, sondern auch dem portugiesischen Volk, von dem sie immer mehr Sparanstrengungen abverlangen!

Dienstag, 20. September 2011

Die 7 Wunder der portugiesischen Gastronomie


In der ehemaligen Reitschule der Kavallerie von Santarém (port.: Antiga Escola Prática de Cavalaria de Santarém) fand Anfang dieses Monats (10. September 2011), in einer landesweit übertragenen Fernsehsendung, die Wahl der sieben gastronomischen Wunder Portugals statt.

Zur Auswahl standen insgesamt 70 portugiesische traditionelle und regionale Leckereien, und zwar jeweils zehn in den sieben Kategorien:

• Vorspeisen (port.: entradas)
• Suppen (port.: sopas)
• Fisch (port.: peixe)
• Meeresfrüchte (port.: mariscos)
• Fleisch (port.: carne)
• Jagd (port.: caça)
• Süßspeisen (port.: doces)

Die 21 Spezialitäten (sieben aus jeder Kategorie) die schließlich zur Auswahl standen mussten traditionell und geschichtlich verankert (alle älter als 70 Jahre) sein und durften ausschließlich aus nationalen Produkten bestehen, bzw. hergestellt sein.

Die sieben kulinarischen Leckereien der traditionellen portugiesischen Küche, die es aufs Siegertreppchen schafften sind:

• Alheira de Mirandela – eine aus Nordportugal stammende Wurstspezialität

• Queijo Serra da Estrela – ein schmackhafter Käse, der in dem portugiesischen Zentralgebirge Serra da Estrela produziert wird

• Caldo verde – eine ursprünglich aus Nordportugal stammende Grünkohlsuppe, die heute aus Lissabon nicht mehr wegzudenken ist

• Sardinha assada – gegrillte Sardinien, die ursprünglich aus Lissabon und Setúbal stammen, die aber heute in ganz Portugal gegessen werden

• Arroz de marisco – Meeresfrüchtereis, ursprünglich aus den Regionen Estremadura und Ribatejo stammend

• Leitão da Bairrada – Spanferkel aus der Bairrada, einer Gegend in der Provinz Beira Litoral

• Pasteis de Belém – die Lissabonner, wenn nicht gar die portugiesischste, Süßspeise schlechthin

Beachtenswert ist das diese Wahl nicht durch eine Fachjuri, sondern durch das breite Publikum, das sowohl telefonisch als auch übers Internet an der Auswahl teilnehmen konnte, durchgeführt wurde.
Somit kann man wohl behaupten, dass ausschließlich Gerichte bzw. Spezialitäten gewonnen haben, die von uns Portugiesen selbst gerne gegessen werden.

In diesem Sinne: Guten Appetit!

Montag, 12. September 2011

Drei portugiesische Weine unter den besten der Welt


Die englische Fachzeitschrift für Weine „Decanter“ hat dieses Jahr drei portugiesische Weine gekürt, die zu den 25 besten der Welt gehören.
Die Juroren von „Decanter“ bewerteten dieses Jahr insgesamt 12.254 verschiedene Weine, von denen 237 eine Goldmedaille erhielten.
Prämiert wurden Weine aus Frankreich, Italien, Spanien, Neuseeland, Argentinien und, überraschenderweise, sogar einer aus China.

Die portugiesischen Preisträger und Goldmedaillengewinner sind der „Bacalhoa Moscatel 2004“, der in der Kategorie „Bester Likörwein unter 10 £ (11 Euros)“, den Sieg davontrug. Wenn man bedenkt, dass ein Moscatelwein generell mindestens 6 Jahre reifen muss bevor er zum Verkauf angeboten wird, ist dies ein bemerkenswerter Preis den man für den Wein bezahlen muss.

In der Kategorie „Bester Rotwein unter 10 £ (11 Euro)“ gewann der „Tagus Creek Shiraz e Trincadeira 2010“ eine Medaille. Die Weinjuroren waren über die Frische und den Aroma dieses Rotweins und das Preisleistungsverhältnis mehr als überrascht.

Den ersten Preis für „Bester Likörwein über 10 £ (11 Euro)“ gewann der Madeirawein „Madeira Verdelho Henriques & Henriques“, der schon vor zwei Jahren als bester Wein in dieser Kategorie prämiert wurde.

Die siegreichen Winzer haben jetzt das Recht einen goldenen Aufkleber mit einem „D“ auf allen Flaschen ihrer preisgekrönten Weine zu kleben, was den Verkauf erfahrungsgemäß 30% bis 40% steigern wird.
Die Weinfachzeitschrift „Decanter“, die seit 2004 die besten Weine der Welt prämiert, wird in 150 Ländern von tausenden Weinliebhabern gelesen.

Sonntag, 11. September 2011

Die Oper am Tejo


Auf die Frage hin, ob es ein Opernhaus in Lissabon gibt, gab ich heute die Antwort, dass im Teatro Nacional de São Carlos (dt.: Nationaltheater São Carlos) regelmäßig Opernaufführungen stattfinden.

Am kleinen, mit parkenden Autos voll gestopften Platz Largo de São Carlos (dt.: Sankt Karlplatz) gelegen, war das gleichnamige Theater immer ein Haus des Bürgertums und nie ein Schauspielhaus des Hofes.

Der Adel hatte sein eigenes Opernhaus – ein Opernhaus das einmal nur ganze 215 Tage stand!
Die Rede ist von der „Ópera do Tejo“ (dt.: „Die Oper am Tejo), die einmal im historischen Zentrum von Lissabon stand, genau am Ufer des Tejo, da wo heute die Avenida da Ribeira das Naus entlangführt.
Dort wo heute das Arsenal da Marina (dt.: Zeughaus der Marine) steht, stand einmal das Königliche Schloss „Paço da Ribeira“ und genau nebenan stand das riesige Opernhaus.

Beides, sowohl das königliche Schloss als auch die Oper wurden am 01. November 1755, bei dem großen Erdbeben von Lissabon (dt.: Grande Terramoto de Lisboa), völlig zerstört.

Erbaut wurde das weiß-goldene Opernhaus, in dem insgesamt 600 Personen Platz fanden, aufgeteilt in 38 Logen und einem riesigen Parkett, von dem italienischen Stararchitekten Giovanni Carlo Sicinio Galli Bibiena, der aus einer berühmten Architekten- und Bühnenbildnerfamilien stammt und der von König José I damals den Auftrag erhielt, ein Opernhaus zu bauen, „welches die Welt noch nie gesehen hat“.

Eröffnet wurde die Oper, die auch unter dem Namen „Real Casa da Ópera (dt.: „Königliches Opernhaus“) bekannt war, am 31. März 1755, dem Geburtstag von Königin Mariana Victoria, mit dem Werk „Alessandro nell’ Inche“, des Komponisten David Perez.

Noch zwei Opern wurden in dem majestätischen Opernhaus uraufgeführt:
Am 06. Juni die Oper „La clemenza di Tito“ und dann am 16. Oktober die Oper „Antigono“, beides Werke des italienischen Komponisten Antonio Mazzoni.

In den frühen Morgenstunden des Allerheiligentages 1755, nach nur 215 Tagen und drei Uraufführungen, fiel das Opernhaus, das eines der grandiosesten des damaligen Europas war, dem Erdbeben und dem nachfolgenden Feuer völlig zum Opfer.

Als Prämierminister Sebastião José de Carvalho e Melo, der Marquês de Pombal, daran ging Lissabon nach dem verheerenden Erdbeben wieder aufzubauen, hatte er ursprünglich vor, die Oper wieder zu errichten.
Doch durch die knappen Kassen geriet der Wiederaufbau der Ópera do Tejo immer wieder in weite Ferne, bis zum Jahr 1793, als das neue Teatro Nacional de São Carlos endlich eröffnet wurde.

Freitag, 9. September 2011

Aaron Lopez


Heute vor 280 Jahren, am 09. September 1731, wurde im Lissabonner Stadtteil Santa Catarina der junge Duarte Lopes geboren.
Er war der Sohn konvertierter Juden, die zwar öffentlich dem katholischen Glauben angehörten, im Geheimen aber weiterhin ihre jüdische Religion ausübten.

Wie alle Konvertierten seiner Zeit durchlief Duarte eine sehr konservativ-katholische Ausbildung, die mehr den Anschein für die Öffentlichkeit wahren sollte, als auf ehrlichen Glauben beruhte.
Schon sehr jung arbeitete er im Stadtteil Santos im Laden seines Vaters, der Tabakimporteur war, und erlernte dort den Beruf des
Kaufmanns von der Pike auf.

Im Jahre 1750, im Alter von 19 Jahren, heiratet Duarte Lopes die junge Ana, die ebenfalls aus einer konvertierten Familie stammte, und die ihm zwei Jahre nach der Hochzeit eine Tochter schenkt, die auf den Namen Catarina getauft wird.

Kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter, im Jahre 1752, wandert Duarte mit seiner kleinen Familie nach Nordamerika aus.
Er zieht in die Stadt Newport, im heutigen Bundesstaat Rhode Island, wohin sein Bruder José schon Jahre zuvor ausgewandert war, und wo dieser unter seinem neuen jüdischen Vornamen Moses Lopez, den er nach seiner Ankunft in der neuen Welt erhalten hat, erfolgreich Handel treibt.

In Amerika intensiviert Duarte seinen bis dahin nur heimlich praktizierten jüdischen Glauben.
Er ändert seinen bisherigen Familiennamen Lopes in Lopez um und aus den bisherigen portugiesischen Vornamen Duarte, Ana und Catarina werden die jüdisch-neuenglischen Namen Aaron, Abigail und Sarah.

In Newport eröffnet er einen Gemischtwarenhandel in dem er so alles vertreibt was Geld einbringt.
Bereits 1755 hat er geschäftliche Beziehungen in ganz Rhode Island und in den Städten Boston und New York ist er ein angesehener Geschäftsmann.

Seine ersten erfolgreichen Geschäfte macht er mit dem Handel von Walfett, auch Walrat genannt, (port.: espermacete), aus dem man damals Kerzen herstellte.
1756 beschließt Lopez nun nicht nur mit dem Walfett zu handeln, sondern errichtet in Newport seine eigene Kerzenfabrik.
Um 1760 gibt es bereits ein Dutzend solcher Kerzenfabriken in Neuengland.
Die Walfänger, die meisten von ihnen selber Portugiesen, können alsbald nicht mehr den begehrten Rohstoff liefern und so steigen die Preise für Walfett und Walöl ins unermessliche.
Um einen bevorstehenden wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern, schließt sich Aaron Lopez 1761, mit acht weiteren Konkurrenten, zu einer Treuhandgesellschaft (engl.: trust company) zusammen.

Jetzt, da die Gesellschaft gegründet und die Konkurrenz kontrollierbar war, expandierte Lopez seine Geschäfte.
Er baute Handelsbeziehungen mit seiner alten Heimat Portugal auf, und durch Portugal war er auch an den Ostindiengeschäften beteiligt.

1761 begann Aaron Lopez sich am lukrativen amerikanischen Sklavenhandel zu beteiligen.
Bis 1775, dem Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges, befuhren in seinem Auftrag insgesamt 30 Schiffe den Atlantischen Ozean und transportierten die „Ware“ Mensch.

Mitte 1761 reicht Lopez beim Obersten Gerichthof von Rhode Island ein Einbürgerungsgesuch ein.
Dieser wird ihm, obwohl das Einbürgerungsgesetz „British Naturalization Act“ von 1740, besagt das jeder Bürger der sieben Jahre in der Kolonie gelebt hat, unabhängig seiner Religion, das Anrecht auf die britische Staatsbürgerschaft hat, grundlos verweigert.
Lopez sieht sich diskriminiert und reicht erneut ein Einbürgerungsgesuch beim Obersten Gerichtshof ein.
Dieser wird ihm am 11. März 1762, mit den niederschmetternden Worten „Mister Aaron Lopez could not become a citizens of Rhode Island“, zum zweiten Mal verweigert, diesmal allerdings mit der Begründung, dass nur Bürger christlichen Glaubens vollwertige Bürger von Rhode Island werden können.

Aaron Lopez gibt sich durch diese Gerichtsentscheidung aber nicht geschlagen und zieht im April 1762 zeitweise in die Stadt Swansea, in die Nachbarschaftskolonie Massachusetts, wo er erneut die Einbürgerung in Neuengland beantragt.
Hier in Massachusetts erhält er am 15. Oktober 1762, die Langersehnte britische Staatsbürgerschaft und wird der erste vollwertige jüdische Bürger der Kolonie.
Nachdem er die neue Staatsbürgerschaft hat, zieht er wieder nach Rhode Island zurück, wo er fortan, ohne nachtragend zu sein, einer der angesehensten Bürger Newports wird.

Bis 1770 galt Aaron Lopez, der in gutbürgerlichen aber nicht wohlhabenden Verhältnissen groß geworden war, nicht nur als der angesehnste Einwohner von Newport, sondern auch als der reichste Mann der Stadt. Er führte doppelt so viel Steuern ab, wie jeder andere Einwohner der Stadt.
Lopez unterstützte verschiedene kulturelle Projekte in Newport.
So beschenkte er z.B. die Bibliothek der Stadt regelmäßig mit neuen Büchern und er war auch einer der Mitbegründer des Rhode Island College, der später nach Providence umzog, und aus dem die heutige renommierte Brown University hervorgeht.

Das Geheimnis seines Erfolgs ist zweifellos daraufhin zu führen, dass er in den verschiedensten Sparten tätig war.
Er handelte praktisch mit allem.
Er handelte und produzierte nicht nur mit Walfett und Kerzen, sondern auch mit Schiffen, Fässern, Rum, Schokolade, Textilien, Schuhen, Hüten, Glas und, wie schon erwähnt, auch mit Sklaven.

Ab 1770 fing aber Aaron Lopez Stern zu sinken an.
Da die Beziehungen der englisch-amerikanischen Kolonien mit dem englischen Mutterland immer schwieriger wurden, stagnierten die Geschäfte von Lopez immer öfters.
Im April 1774 beschließen die Neuenglandstaaten einen wirtschaftlichen Boykott gegen Großbritannien.
Im Oktober desselben Jahres schließt die britische Marine den Hafen von Newport, was den Geschäften von Aaron Lopez unheimlich schadet.

Anfang 1776, der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg (engl.: American War of Independence) ist im vollen Gange, zieht er mit seiner Ehefrau in die Stadt Portsmouth um.
Aber hier bleiben Aaron und Abigail nicht für lange. Sie ziehen weiter nach Providence und Boston, bis sie sich schließlich in Leicester, im heutigen Bundesstaat Massachusetts, niederlassen.
Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg, der im April 1775 begonnen hatte und noch bis September 1783 dauern sollte, wird für Aaron Lopez ruinös ausgehen.

Obwohl er nun mit seiner Familie in Leicester lebt, ziehen ihn die Geschäfte auch weiterhin nach Rhode Island.
Auf einer seiner üblichen Geschäftsreisen, die er nach Newport macht, stürzt am 28 Mai 1782 seine Kutsche in den Dark Brook Lake.
Lopez kann sich aus der Kutsche nicht befreien und ertrinkt in dieser.
Tags darauf wird er, wie es die jüdische Tradition verlangt, auf dem jüdischen Friedhof von Newport beigesetzt.

Aaron Lopez starb so außergewöhnlich wie er gelebt hatte.
Er war ohne Zweifel der erfolgreichste und streitbarste Jude seiner Zeit in der Neuen Welt.

Dienstag, 6. September 2011

Aida Cordeiro


Heute habe ich ein Kinderbuch gekauft.
Nun, ich muss gestehen, dass dies erst einmal nichts Außergewöhnliches ist.
Aber ich habe dieses Buch nicht etwa in einem Buchladen, einem Kindergeschäft, einem Warenhaus oder in einem der vielen Shopping Centers gekauft, sondern in der Cafeteria des Centro Cultural de Belém (dt.: Kulturzentrum von Belém), hier in Lissabon.
Auch das ist erst einmal nichts Außergewöhnliches, ein Buch in einer Cafeteria zu erwerben, obwohl recht sonderbar. werden jetzt einige sagen.

Aber wenn ich ihnen nun sage dass dieses Kinderbuch nur in der Cafeteria oder in dem Park des erwähnten Kulturzentrums, und wirklich nur an diesen zwei Orten, gekauft werden kann, dann ist das schon eher etwas Außergewöhnliches.

Wie kommt es aber, dass man ein Kinderbuch nur in einer Cafeteria oder in einer Grünanlage erwerben kann?

Nun dies ist der Dickköpfigkeit von Aida Cordeiro zu verdanken.
Aida Cordeiro ist nämlich Kinderbuchautorin und weigert sich standhaft mit der Hilfe eines Verlags ihre Werke in Umlauf zu bringen.
Sie hat vor Jahren beschlossen ihre Bücher selber zu verkaufen!

Die 71jährige Rentnerin, die einmal Grundschullehrerin war, begann vor gut elf Jahren Kinderbücher zu schreiben, um dann mit dem Reinerlös von diesen, verschiedene nationale Kinderhilfswerke und Tierschutzorganisationen finanziell zu unterstützen.

Aida Cordeiro verkauft ihre Bücher selbst, weil sie am Anfang ihrer Karriere schlechte Erfahrungen mit Verlagen gemacht hat.
Als ihr erstes Buch im Jahre 2000 herauskommen sollte, wurde sie von dem Verlag um die stolze Summe von 27.000 Euro betrogen.
Aida Cordeiro schwor sich damals nie wieder mit einem Verlag zusammenzuarbeiten.

Da die resolute Frau aber das Schreiben nicht aufgeben wollte, kam sie eines Tages auf die Idee ihre Bücher selbst in Druckereien in Auftrag zu geben, und diese dann selbst zu verkaufen.

Heute kann man sie in dem Park und in der Cafeteria des Centro Cultural de Belém antreffen, wo sie ihre Bücher, für nur 5 Euro das Stück, an den Mann (oder auch an die Frau) bringt.
Da sie die Bücher selber schreibt, selber drucken lässt, selber vermarktet und selber verkauft, bleiben ihr jedes Jahr an die 20.000 Euro, die sie an acht verschiedenen Kinder- und Tierorganisationen spendet.

Als der Kulturmäzen und Eigentümer des Kulturzentrums Joe Berardo von Aida Cordeiro hörte, kaufte er ihr sofort 3.000 Bücher ab, die er dann an Schulkinder auf Madeira verteilen lies, der Insel aus der er ursprünglich selber stammt.

Aida Cordeiro hat bis heute neun Bücher geschrieben und sitzt gerade an ihrem zehnten Werk.
Wenn sie die Autorin unterstützen wollen, gehen sie in den Centro Cultural de Belém, auch wenn sie leider nicht jeden Tag im Kulturzentrum anzutreffen ist.
Wenn sie aber anwesend ist, dann wird Aida Cordeiro auch sie mit ihrem Lächeln und ihrer einfachen Art garantiert zum Bücherkauf animieren.

Sonntag, 4. September 2011

Städtepartnerschaften


Ob Lissabon eine Partnerstadt hat, bin ich heute gefragt worden.
Und ob!
Lissabon hat insgesamt sogar 21 Partnerstädte (port.: „cidades gémeas“) vorzuweisen.

Mit diesen 21 internationalen und nationalen Partnerstädten verpflichtet sich Lissabon wirtschaftlich zusammenzuarbeiten und kulturell auszutauschen.
Im Jahre 1977 ging Lissabon mit dem kroatischen Zagreb vertraglich die erste Städtepartnerschaft ein.
Zwei Jahre zuvor, 1976, war zum ersten Mal, zwischen der portugiesischen Universitätsstadt Coimbra und der damaligen ostdeutschen Stadt Halle an der Saale, überhaupt eine Städtepartnerschaft in Portugal geschlossen worden.

Auf vier Kontinenten befinden sich die 21 Partnerstädte die mit Lissabon ein kooperatives Abkommen abgeschlossen haben.
Darunter ist leider nicht eine einzige deutsche Stadt.

Die Lissabonner Partnerstädte sind:

• Zagreb in Kroatien (seit dem 15. Juli 1977)
• Madrid in Spanien (seit dem 31. Mai 1979)
• Rio de Janeiro in Brasilien (seit dem 10. Juni 1980)
• Maputo in Moçambique (seit dem 20. März 1982)
• Macau in China (seit dem 20. Mai 1982)
• Praia auf Kap Verde (seit dem 26. Mai 1983)
• São Tomé auf São Tomé und Principe (26. Mai 1983)
• Bissau in Guinea-Bissau (seit dem 31. Mai 1983)
• Malaca in Malaysia (seit dem 19. Januar 1984)
• Salvador da Bahia in Brasilien (seit dem 03. April 1085)
• Brasilia in Brasilien (seit dem 28. Juni 1985)
• Rabat in Marokko (seit dem 22. März 1988)
• Luanda in Angola (seit dem 11. Oktober 1988)
• Cacheu in Guinea-Bissau (14. November 1988)
• Budapest in Ungarn (seit dem 28. September 1992)
• Buenos Aires in Argentinien (seit 1992)
• Guimarães in Portugal (seit dem 29. Juni 1993)
• Tunis in Tunesien (seit dem 03. September 1993)
• Paris in Frankreich (seit 1998)
• São Paulo in Brasilien (seit dem 10. Juli 2007)
• Peking in China (seit dem 22. Oktober 2007)

Aber nicht nur Lissabon ist eine Städtepartnerschaft eingegangen.
Insgesamt 23 portugiesische Kommunen pflegen z.B. mit deutschen Städten eine partnerschaftliche Beziehung.

Die portugiesischen Städte, die mit deutschen Gemeinden geschwisterlich verbunden sind, sind:

• Coimbra / Halle an der Saale (seit dem 06.Juni 1975)
• Porto mit Jena (seit dem 15. Juni 1984)
• Condeixa-a-Nova mit Bretten (10. Februar 1985)
• Guarda mit Siegburg (seit dem 26. Mai 1985)
• Aljezur mit Kürnach (seit dem 10. Oktober 1987)
• Santo Tirso mit Groß-Umstadt (seit dem 31. Juli 1988)
• Mafra mit Leimen (seit dem 17. Februar 1990)
• Sesimbra mit Kotzling (seit dem 20. Mai 1991)
• Ansião mit Erbach (seit dem 14. Juni 1992)
• Setúbal mit Magdeburg (seit dem 02. März 1993)
• Vila Verde mit Lohmar (seit dem 22. März 1993)
• Castanheira de Pera mit Leimen (04. Juli 1993)
• Soure mit Dienheim (seit dem 13. Januar 1994)
• Funchal mit Leichlingen (seit dem 26. März 1996)
• Leiria mit Rheine (seit dem 19. Mai 1996)
• Góis mit Ravensburg (seit dem 11. September 2000)
• Guimarães mit Kaiserslautern (10. Oktober 2000)
• Vila Nova de Poiares mit Hungen (13.10.2000)
• Ilhavo mit Cuxhaven (seit dem 05. April 2002)
• Amarante mit Wiesloch (seit dem 01. September 2004)
• Vila Real mit Osnabrück (seit dem 20. Juli 2005)
• Grândola mit Rhein-Kreis Neuss (15. März 2006)
• Póvoa de Varzim mit Eschborn (29. Juni 2010)

Die Städtepartnerschaften Lissabons, genauso wie die meisten in Restportugal und sicherlich viele weltweit, leben von dem Engagement der jeweiligen Stadtverwaltung und vor allem von der Initiative der einfachen Bürger, Musik- und Sportvereine, Chöre, Museen, usw.

Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, das je mehr Partnerstädte Lissabon hat, umso geringer dann doch tatsächlich das Engagement ist, den die Stadt und ihre Bürger an den Tag legen.

Das ist schade – einfach nur schade!

Samstag, 3. September 2011

Bücher die kein Mensch braucht


Wer mich kennt weiß das ich für mein Leben gerne lese.
Und wer mich kennt weiß auch welche Art von Literatur ich mag.
Von Biographien und Autobiographien über Reiseberichte und Reiseführern bis hin zu historischen und geschichtlichen Romanen, lese ich fast alles gerne.

Nun bin ich dieser Tage gefragt worden, was und wen ich denn nicht oder überhaupt nicht gerne lese.
Nun ich muss ehrlich gestehen dass ich hier über eine Antwort erst ein wenig nachdenken musste.
Nicht das mir nicht sofort zehn oder mehr Bücher einfallen würden, die mich nicht vom Hocker reißen, aber diese Bücher alleine erklären nicht meinen literarischen Geschmack.
Ich würde sagen, ich mag keine Bücher die verallgemeinern, die keine Substanz haben und die fiktive, absurde, ignorante und egozentrische Roman- und Unterhaltungsliteratur darstellen.

Aber ich finde, mit einem Buch ist es wie mit dem Essen.
Man kann erst sagen „Ich mag das nicht“, wenn man es ausprobiert hat.
So lese ich jedes Buch an, das mir in die Hände fällt.
Was aber nicht heißen soll, das ich jeweils über die zehnte oder zwanzigste Seite hinauskomme.

So denke ich mit Grauen an Niccoló Machiavellis Werk „Der Fürst“ oder an den „Weiblichkeitswahn“ von Betty Friedman zurück.
Auch die Bücher „Über den Menschen“ von René Descartes, „Das Kapital“ von Karl Marx und John Stuart Mills „Die Freiheit“ waren eher zum abgewöhnen als für mich literarisch bedeutend.
Das „Mein Kampf“ von Adolf Hitler in vielen Ländern der Welt auf dem Verbotsindex steht verstehe ich gut, das José Saramagos „Die Stadt der Blinden“ (port.: „Ensaio sobre a Cegueira“) nicht in diesem Index aufgeführt wird, verstehe ich dagegen nicht!

Diese Bücher, die ich hier als Beispiel nenne, haben alle eines gemeinsam:
Sie wurden fast alle von Atheisten geschrieben.
Und wie jeder weiß, mögen Atheisten nichts Spirituelles und Aufregendes. Im Gegenteil, Atheisten scheinen literarisch (und nicht nur hier!) eher die langweilige, ärgerliche und lästige Kost zu mögen.

Aber wie man so schön sagt: „Über Geschmack lässt sich streiten“, und nur so lässt es sich erklären das z.B. ein José Saramago einen Literaturnobelpreis verliehen bekommen hat, während eine sehr talentierte Isabel Stilwell kaum über die portugiesische Landesgrenze hinaus bekannt ist.

Ach ja, die Welt in der wir leben ist ungerecht
…und die literarische Welt ist da keine Ausnahme!

Freitag, 2. September 2011

Praça da Figueira





Lissabon schwelgt in Plätzen, die Plätze schwelgen in Denkmälern, die Denkmäler schwelgen in Bronzekönigen und die Bronzekönige schwelgen in Benzinschwaden und Dreck.
Dies ist leider die traurige Wahrheit der vielen Plätze in Lissabon!

Eines dieser Plätze ist die große „Praça da Figueira“ (dt.: Platz des Feigenbaums) in der Lissabonner Baixa Pombalina.
Neben der Praça do Comércio und dem Rossio gehört die Praça da Figueira zu den drei wichtigsten und prachtvollsten Plätzen der Lissabonner Innenstadt.

Dort wo sich heute der Platz befindet, stand bis zum großen Erbeben vom 01. November 1755 der imposante „Hospital Real de Todos os Santos“ (dt.: „Königliches Allerheiligenspital“), wie die Fundamente beweisen, die 1960 bei den Ausschachtungsarbeiten für die Metro und die Tiefgarage, dort gefunden wurden.
Das Allerheiligenspital war zu seiner Zeit das größte und fortschrittlichste Krankenhaus Europas und hatte schon damals z.B. eine Abteilung für tropische Krankheiten!
Nach dem Erdbeben von 1755 waren die Schäden an dem Krankenhaus so gravierend, das König José I anorderte das Gebäude abzureißen, damit der Marques de Pombal die Baixa ungehindert nach seinen Vorstellungen bauen konnte.

Nach dem Abriss des Krankenhauses entstand eine große Freifläche, die vor allem von den Bürgern für den wöchentlichen Gemüse- und Früchtemarkt genutzt wurde.
Man nannte diesen Markt zuerst „Horta do Hospital“ (dt.: Gemüsegarten des Spitals), dann „Praça das Ervas“ (dt.: Kräuterplatz) bis er letztendlich seinen heutigen Namen „Praça da Figueira“ (dt.: Feigenbaumplatz) erhielt.

Im Jahre 1885 wurde dann auf der freien Fläche des Platzes eine 8000 m² große, überdachte Markthalle aus Stahl und Glas errichtet, die von sechs rotlackierten Kuppeln überragt wurde.
Aus einem ursprünglich ambulanten Verkaufsort für Obst und Gemüse war nun ein fester und organisierter Platz geworden, an dem man alle Lebensmittel kaufen konnte, die man für den alltäglichen Bedarf benötigte.

Nicht nur für den Handel sondern auch für die Kultur war die Markthalle eine wichtige Institution der Hauptstadt.
In ihr fanden z.B. Kunstausstellungen und Liederabende statt, und jedes Jahr auch die Abschlussfeierlichkeiten des Sankt Antoniusfestes (port.: „Festas de Santo António), dem Lissabonner Stadtfest.
Die Halle stand hier 64 Jahre lang, bis sie dann 1949, total verrostet, abgerissen wurde und der Platz sein heutiges Aussehen erhielt.

Im Jahre 1971 errichtete die Lissabonner Stadtverwaltung, Mitten auf dem Platz, ein Reiterdenkmal.
Die imposante Bronzestatue ist ein Werk des Bildhauers Leopoldo Neves de Almeida, der auch der Schöpfer des Denkmals der Entdeckungen ist (lesen sie hierzu auch bitte meinen Eintrag „Padrão dos Descobrimentos“, vom 13.07.2011).
Das Reiterstandbild stellt König João I. von Portugal dar, der 1385 gemeinsam mit seinem Feldherrn Nuno Álvares Perreira die einfallenden Spanier in der Schlacht von Aljubarrota besiegte und damit Portugals Unabhängigkeit für viele Jahrzehnte sicherte.

In den Jahren 1999 und 2000 wurde die Praça da Figueira von Grund auf saniert.
Bei dieser Sanierung wurde das Reiterdenkmal von der Mitte des Platzes in die südwestliche Ecke verschoben, so das man ihn heute von der Praça do Comércio und der Rua da Prata sehen kann.

Der Platz ist umgeben von vierstöckigen Gebäuden die vorzugsweise Hotels, Cafés und die verschiedensten Geschäfte beherbergen.
Zwar herrscht heutzutage nicht mehr der Hochbetrieb den es einmal in den Cafés, Restaurants und Bars rund um die Markthalle gab, aber die Praça da Figueira ist auch heute noch eines der Plätze der Stadt in denen man gerne flaniert und gerne gesehen wird.

Donnerstag, 1. September 2011

Vandalismus, wohin man auch schaut


In meiner Straße hat es diese Nacht gebrannt!

Irgendjemand hat den LKW einer nahen Spedition angezündet.
Der LKW brannte lichterloh, und heute Morgen war das ausgebrannte Wrack der Hingucker der Straße.

Leider handelt es sich bei diesem Brand nicht um einen Einzelfall.
Im Gegenteil, die Beschädigung und Zerstörung fremden Eigentums ist heutzutage keine Ausnahme mehr, sondern eher traurige Gewohnheit.

Vom Norden bis zum Süden des Landes häufen sich die Fälle.
Nichts ist vor diesem vandalisierenden Mopp mehr sicher.
Von Graffitis verunstalteten Denkmälern und Gebäuden über beschmierte und aufgeschlitzte Polstersitze in öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zu in Brand gesetzten Müllcontainern und demolierten Autos, alles wird mutwillig und sinnlos zerstört.

Fast immer handelt es sich bei den Tätern um Jugendliche, viele von ihnen sogar noch halbe Kinder, die aus Zeitvertreib und Imponiergehabe dieses Handeln an den Tag legen.
Ein in brand gesteckter LKW ist da weiß Gott leider nichts Besonderes.

Vor Tagen haben z.B. Unbekannte das Wasser aus dem Freibad von Braga, im Norden Portugals, abgelassen, so dass tausende von Schwimmbadbesucher jetzt ohne Freibad dastehen.
Ebenfalls vor Tagen haben Unverbesserliche die hölzernen Tischplatten im Stadtpark von Setúbal zerstört, so dass die Rentner, die sich hier jeden Tag zum Karten- oder Schachspielen zusammenkamen, jetzt ohne Treffpunkt dastehen.
Diese Liste ließe sich problemlos erweitern.

Ich weiß nicht was sich in den Köpfen solcher zerstörungswütiger Typen abspielt, noch weiß ich nicht ob sich auch nur einer von ihnen ernsthaft über die Konsequenzen Gedanken macht, die aus solchem Vandalismus entstehen können.
Mehr als Zerstörungswut ist solcher Vandalismus kriminell!

Wer solche Taten, wie die hier schon erwähnten, begeht, muss meiner Meinung nach, auf das schärfste bestraft werden.
Leider sieht es immer so aus, als wenn man solchen Taten und Tätern machtlos gegenüber stehen müsse.
Aber dem ist nicht so!
Die Gesetze sind da.
Man muss nur den Mut haben sie anzuwenden!

Weil die Randalierer wissen, dass sie kaum eine Strafe zu befürchten haben, wenn sie Mal erwischt werden, machen sie immer weiter … und jedes Mal schlimmer!

Randalierern und Vandalismus muss zukünftig Einhalt geboten werden, denn Vandalismus ist nichts weiter als eine feige Form der Gewalt!
Wer die anderen und den Eigentum der anderen nicht achtet, verdient nicht dass man ihn respektiert und mit Samthandschuhen anfasst.
Solche Leute müssen bestraft werden, und zwar auf das härteste!

Wir müssen aufhören im Alltag Gleichgültig zu reagieren, denn Gleichgültigkeit gegenüber unserem Umfeld ist fatal:
Durch Vandalismus wird nicht nur Hab und Gut der „anderen“ in Mitleidenschaft gezogen – Nein, Zerstörungswut und Sachbeschädigungen treffen uns alle.
Es ist deshalb ganz wichtig, dass wir im Alltag auf Vandalismus schnell und konsequent reagieren.
Für das Erscheinungsbild unserer Kommunen sind wir alle ganz entscheidend mitverantwortlich!