Mittwoch, 12. Oktober 2011

Ausgesuchte Werke von Luis Vaz de Camões



Nach meinem gestrigen Beitrag über Luís Vaz de Camões wurde ich heute gefragt ob ich nicht hier das eine oder andere Beispiel seiner Dichtkunst vorstellen kann und will.

Diesem Wunsch gehe ich heute gerne nach und führe nun hier vier Gedichte auf, die von den renommierten deutschen Schriftstellern Hans-Joachim Schaeffers und Wilhelm Storck übersetzt worden sind.

Die Gedichte, Lieder, Oden, Komödien und Sonetten von Camões, allen voran „Die Lusiaden“ (port.: „Os Lusíadas“), sind das Bedeutendste und Berühmteste, welches die portugiesische Literatur zu bieten hat.
Ein gigantisches Werk, das die Liebe, die Frauen und die ganze portugiesische Geschichte und ihre Einordnung in die Geographie der Welt und den Bau des Universums umfasst.

Camões ist ein Dichter von großer Kraft, von einem enormen Erzählungspotential und einer präzisen Schilderungsgabe.
Er selbst rühmt sich, über viele seiner Gedichte, nicht Erfundenes, sondern nur wirklich über Geschehenes zu berichten.

Da das Werk von Camões sehr umfangreich ist, war es für mich äußerst schwierig, hier ein paar Beispiele aufzuführen.
Ich hoffe aber, mit meiner getroffenen Auswahl, ein ungefähres Bild über die Arbeiten des großen Dichters geben zu können.



Die Lusiaden
Erster Gesang, Strophe 1 bis 8:

Die kriegerischen, kühnen Heldenscharen,
Vom Weststrand Lusitaniens ausgesandt,
Die auf den Meeren, nie zuvor befahren,
Sogar passierten Taprobanas Strand,
Die mehr erprobt in Kriegen und Gefahren,
Als man der Menschenkraft hat zuerkannt,
Und unter fernem Volk errichtet haben
Ein neues Reich, dem so viel Glanz sie gaben;

Und die Erinnerungen voller Ruhm
An jene Könige, die stets gemehrt
Das Reich, den Glauben und das Heidentum
In Afrika und Asien zerstört,
Und jene auch, die durch ihr tapferes Tun
Des Todes Forderung von sich gewehrt:
Will mit Gesang ich überall verbreiten,
Wenn mich Talent und Kunst dabei begleiten.

Genug vom schlauen Griechen, vom Trojan
Und von den großen Fahrten, die sie machten;
Genug von Alexander und Trajan,
Von Siegesehren auch, die ihnen lachten;
Ich singe jetzt vom tapferen Lusitan,
Dem sich Neptun und Mars gefügig machten.
Genug von dem, was früher war zu loben,
Denn ein viel größerer Mut hat sich erhoben.

Und ihr, meine Tagiden, habt entfacht
In mir neue Begabung, volle Glut,
Wenn stets, mit einem schlichten Vers bedacht
Von mir ward heiter eures Flusses Flut,
Gebt mir jetzt einen hohen Ton voll Macht,
Einen erhabenen Stil, der Rede Flut,
Damit Phoibos befiehlt, daß eure Welle
Nicht mehr beneide Hippokrenes Quelle.

Verleiht mir Leidenschaft und schönen Sang,
Nicht wie der rauhe Ton der Hirtenflöte,
Vielmehr der kriegerischen Tuba Klang,
Der Mut entzünde und Gesichter röte;
Ich will die Taten rühmen mit Gesang
Des Volks, das Mars durch Kühnheit so erhöhte;
In aller Welt soll man von ihnen singen,
Gelingt es, solchen Preis in Vers zu bringen.

Und Ihr, o hochgeborene, starke Wacht
Von Lusitaniens alter Sicherheit,
Daß Ihr das Reich des Glaubens größer macht,
Erhofft sich fest die kleine Christenheit;
Ihr schreckt so jung der Mauren Heeresmacht,
O schicksalhaftes Wunder unserer Zeit,
Der Welt von Gott geschenkt (der alles lenkt,
Daß von der Welt ihm werde viel geschenkt);

Ihr, zarter Blütenzweig an einem Baum,
Von Christus, dem Erlöser, mehr geliebt
Als jeder andere in des Westens Raum,
Der Kaiser sich und Allerchristlich schrieb;
(Seht Euer Wappen, dort ist anzuschauen
Und zu erkennen, wie man einst gesiegt,
Sein Wappen hat Euch Christus dort gegeben,
Das er sich gab, als man ihm nahm das Leben);

Ihr, starker König, dessen großes Reich
Die Sonne schon erblickt, kaum daß sie steigt;
Erblickt, wenn beide Tageshälften gleich,
Und noch erblickt, wenn sie sich niederneigt;
Ihr sollt das Joch sein und die Schmach zugleich
Des Reiterheeres Ismaels, das weicht,
Der Türken aus dem Orient und des Stammes,
Der noch das heilige Wasser trinkt des Ganges.


Original: Luís Vaz de Camões
Übersetzung: Hans-Joachim Schaeffers



Sonette 173

Natur erschuf mit ihrer ganzen Pracht
Uns einen Schatz, so herrlich und so schön;
Aus Rosen und Rubinen, Gold und Schnee
Hat engelszarte Schönheit sie vollbracht.

Rubin funkelt im Mund, in Reinheit lacht
Des Antlitz’ Rose, für die ich vergeh;
Im Haar ist goldnes Gleißen, hell zu sehen,
Schnee deckt die Brust, der mir das Herz entfacht.

Die Augen zeigen, was Natur vermag,
Aus ihnen machte sie ein Sonnenlicht,
Ein Licht noch heller als der helle Tag.

So, Herrin, hat in Körper und Gesicht
Das allerschönste Kunstwerk sie vollbracht
Aus Rosen, Gold, Rubinen, Schnee und Licht.


Original: Luís Vaz de Camões
Übersetzung: Hans-Joachim Schaeffers



Ohne Dich

Der sanfte Reiz der Berggeländ' und Auen,
Der laubigen Kastanien Schattenkühle,
Der laut'ren Bächlein murmelndes Gewühle,
Verscheuchend Sorg' und Leid von Stirn und Brauen;

Des Meeres dumpf Geroll, die fremden Gauen,
Der Sonne Niedergang am fernen Bühle,
Der Herden Heimzug nach des Tages Schwüle,
Der Wolken hold Gewirr im Abendgrauen;

Kurz, alles was Natur zu wonn'gem Schauer
Für Seel' und Sinn so mannigfach ergossen:
Wo Du mir fehlst, erregt es Gram und Schmerzen;
Dir fern – betracht' ich's lässig und verdrossen;
Dir fern – erweckt mir allezeit im Herzen
Gröss'rer Genuß alleinzig gröss're Trauer.


Original: Luís Vaz de Camões
Übersetzung: Wilhelm Storck



Sehnsucht

Meine Qual und Lust,
Könnt' ich Euch doch sehen!

Sehn' ich heiss heran,
Was ich gerne sähe,
Weicht's aus meiner Nähe,
Und ich seufze: Wann?
Jahre flieh'n hindann;
Wird mir nie geschehen,
Euch einmal zu sehen?

Wie ein Traum entwich,
Also darf das Leben
Rasch für All' entschweben,
Aber nicht für mich;
Tag um Tag verstrich,
Und ich harr' in Wehen,
Ohn' Euch doch zu sehen.

Welch ein herbes Leid
Hat mich doch getroffen!
Solch ein langes Hoffen
In so kurzer Zeit!
Aber Groll und Neid
Mag an mir ergehen,
Kann ich Euch nur sehen!

Ach, wie quälen doch
Amors Tück' und Ränke!
Dass ich nie ihn kränke,
Trag' ich still das Joch;
Wär't Ihr höher noch,
Bliebe doch mein Flehen,
Immer Euch zu sehen.

Meine Qual und Lust,
Ziel der Wünsch und Klagen,
Wem, ach! kann ich sagen,
Was ersehnt die Brust?
Könnt' ich glückbewußt
Tag und Nacht doch stehen
Und Euch immer sehen!


Original: Luís Vaz de Camões
Übersetzung: Wilhelm Storck

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