Sonntag, 8. Januar 2012

Lusotropikalismus


Haben sie schon einmal von dem Begriff „Lusotropikalismus“ (port.: „Luso-Tropicalismo“ gehört?
Nun, wenn nicht, dann stehen sie nicht alleine da, denn die meisten Deutschen, und leider auch heute die meisten Portugiesen, kennen diesen Begriff nicht.

Der Begriff Lusotropikalismus setzt sich aus den zwei Begriffen „luso“ (dt.: Portugiese, portugiesisch) und „tropical“ (dt.: tropisch) zusammen.
Lusotropikalismus ist eine politische Ideologie, so wie die Ideologie des Kapitalismus oder des Kommunismus.

Die Ideologie des Lusotropikalismus stand einmal für die Verbreitung der vermeintlichen geschichtlichen und moralischen Überlegenheit Portugals gegenüber seinen Kolonien und Überseegebieten, im Vergleich zu den anderen Kolonialmächten Europas.
Ihr Inhalt bezeichnete die portugiesische Fähigkeit und Gabe sich mit fremden Völkern und Kulturen zu vermischen, woraus sich dann aus dieser Verbindung eine spezielle soziale Harmonie des Zusammenlebens und ein kontinental übergreifendes und tolerantes Miteinander der einzelnen Rassen ergaben.

Als Portugal einstmals unter den Königen Manuel I und João III seine Kolonialgeschichte anfing, war es schon damals oberste Politik des Staates gewesen fremde Völker nicht zu Vernichten, so wie es später z.B. die Spanier mit den Azteken und den Mayas oder die Britten mit den Indianern Nordamerikas gemacht hatten, sondern sich mit den verschiedenen fremden Völkern und Kulturen, die im portugiesischen Einflussbereich lebten, zu vermischen.

Als z.B. Vasco da Gama den Seeweg nach Indien entdeckte, wurde seinen Seemännern und Soldaten ausdrücklich vom König gestattet indische Frauen zu ehelichen.
Ziel dieser Kolonialpolitik war es auf lange Zeit eine multikulturelle und portugaltreue Bevölkerung in den einzelnen Kolonien zu haben, und somit zukünftig Kriege und Aufstände zu vermeiden, nach dem Motto:
Portugiesen kämpfen niemals gegen Portugiesen!

Aber erst im 20. Jahrhundert, unter dem Diktator António de Oliveira Salazar und seinem „Estado Novo“, bekam diese Art und Weise der portugiesischen Kolonialpolitik mit dem Begriff Lusotropikalismus auch einen Namen.

Unter Salazar wurden die Kolonien (port.. colónias) auch offiziell nicht mehr als solche tituliert, sondern sie wurden ab dem Jahr 1940 Überseeprovinzen (port.: Provincias ultramarinas) genannt.
Laut der Staatspolitik der damaligen Zeit, wurden die Bevölkerungen der einzelnen Überseegebiete, vergleichbar dem südafrikanischen Apartheidsystems, immer in drei Kategorien aufgeteilt, nämlich in

• Einheimische Bürger (port.: nativos)
• Assimilierte Bürger (port.: assimilados)
• Portugiesische Bürger(port.: cidadões portugueses)

Die größte Bevölkerungsgruppe bildete in allen Überseegebieten, sei es in Afrika oder Asien, immer mit über 95% die einheimische Urbevölkerung.

Ihnen folgten dann die Assimilierten, die immer nicht mehr als 3% oder 4% der kolonialen Bevölkerung ausmachten. Assimilierte waren Einheimische Bürger, die mit einem staatlich ausgestellten Dokument (port.: Documento de assimilação) nachweisen konnten, dass sie dem katholischen Glauben angehörten, monogam lebten, die portugiesische Sprache in Wort und Schrift beherrschten und, wenn sie Männer waren, bereits in der portugiesischen Armee gedient hatten.
Nur mit diesem Dokument wurde ihr Status als Assimilierte anerkannt!
Als Assimilierte hatten sie das Wahlrecht und jedes andere Bürgerrecht eines weißen Portugiesen.

Die kleinste Bevölkerungsgruppe in den Überseegebieten bildeten immer die Portugiesen selbst.
Ihr Anteil betrug nie mehr als 2% der kolonialen Bevölkerung.

Nach den Kolonialkriegen im Jahre 1974 und dem Ende des portugiesischen Imperiums, wurde der Begriff „Lusotropikalismus“ nur noch selten verwendet.
An seiner Stelle kam der Begriff „Lusophonie“ (port.: lusofonia) auf, mit dem bis zum heutigen Tag die portugiesischsprachige und portugiesischkulturelle Welt bezeichnet wird.

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