Dienstag, 8. Januar 2013

Principe Real

In Lissabon, im Stadtteil Mercês, gibt es einen öffentlichen Park und Platz, die beide den Namen Principe Real tragen.
Principe Real heißt, wörtlich ins deutsche übersetzt, „königlicher Prinz“.
Ich bin nun dieser Tage gefragt worden, welcher „königlicher Prinz“ der Namensgeber dieser Orte ist.

Man könnte meinen, da früher alle legitimen Söhne eines Königs oder einer Königin automatisch königliche Prinzen waren, könne wohl jeder mit Principe Real gemeint sein.
Aber in Wahrheit ist nur einer der „königlichen Prinzen“ der Namensgeber dieses wunderschönen Parks und Platzes, Mitten in Lissabon.

Aber zur Namensgebung komme ich etwas später.

Die Gegend, in der sich heute der ca. 1.2 ha große Park befindet, wurde schon Anfang des 15. Jahrhundert unter dem Namen Alto da Cotovia urkundlich erwähnt.
Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein war der Alto da Cotovia eine verwahrloste, heruntergekommene Gegend und nichts weiter als die Müllhalde für den nahe gelegenen Stadtteil Bairro Alto.
Im Jahre 1740 verkaufte die Stadt Lissabon das Land an die Gesellschaft Jesu (port.: Companhia de Jesus), die die Gegend von Müll und Unrat befreiten und an dieser Stelle eine Missionarschule der Jesuiten (port.: Colégio das Missões Jesuitas) errichteten. Wenige Jahre später, beim großen Erdbeben vom 01. November 1755, wurde die Schule aber leider völlig zerstört.

Nach dem Erdbeben brach in Lissabon das Chaos los. Raub, Plünderung und Mord waren in der ganzen Stadt an der Tagesordnung.
Zwar versuchte der Marques de Pombal der immer größer werdenden Gewalt, durch das Stationieren verschiedener Infanterieregimenter aus der portugiesischen Provinz, Einhalt zu gebieten. Aber nur mit der Zeit und mit sehr harter Hand konnte er sich in der Stadt durchsetzen.

Die Gegend am Alto da Cotovia schien unter keinem guten Stern zu stehen.
Das Infanterieregiment von Peniche, das aus dem Norden Portugals hierher verlegt worden war, um für Zucht und Ordnung zu sorgen, hatte hierbei nur geringen Erfolg.
Hinzu kam es, dass mehrere Bauvorhaben am Alto da Cotovia mit der Zeit kläglich scheiterten.
So plante man z.B. dort zunächst den Bau einer neuen Kathedrale (port.: Sé) für Lissabon, die aber niemals über den Rohbau hinausging, da dieser bei einem Brand völlig zerstört wurde. Auch der Bau des Königlichen Zentralschatzamtes (port.: Tesouraria Central do Reino), vergleichbar mit dem heutigen Finanzministerium, wurde hier aus Kostengründen niemals realisiert.
Mit den Jahren verwahrloste die Gegend erneut.
Die Ruinen der niemals erbauten Kathedrale boten zudem vielen zwielichtigen Gestalten, Mördern und Dieben, reichlich Unterschlumpf und viele in der Hauptstadt hielten alsbald den Alto da Cotovia gar für einen verwunschen Ort.

Im Jahre 1850 ging die Lissabonner Stadtverwaltung daran den Alto da Cotovia zu säubern, um hier, auf Wunsch Königin Maria II, einen öffentlichen Park und Platz zu errichten.
Der Park wurde, zur Zeit der Romantik, im englischen Stil erbaut, und die stattlichen Prachtbauten die sich mit der Zeit um den Platz bildeten, machten die Praça do Principe Real alsbald zur feinen Adresse.
Königin Maria II ließ den Park, nach seiner Vollendung im Jahre 1853, nach ihrem Sohn und Thronfolger Pedro benennen.

Wobei wir nun zur Erklärung es Namens kämen:

Der Name, der dem Park einstmals gegeben wurde, ist Jardim do Principe Real.
Principe Real (dt.: „königlicher Prinz“) ist ein Titel, der hier in Portugal nach der konstitutionellen Verfassung von 1822, nur an den ältesten Sohn und Thronfolger des jeweiligen Monarchen verliehen wurde, vergleichbar dem englischen Titel des „Prince of Wales“, der an den jeweiligen ältesten Sohn und Thronfolger des britischen Monarchen verliehen wird.
Alle anderen königlichen Sprösslinge in Portugal waren und sind Infanten von Portugal (port.: Infantes de Portugal).
Da der älteste Sohn von Königin Maria II Infante Pedro war, wurde ihm der Titel des Principe Real zuteil

Infante Pedro hieß mit vollem Namen Pedro de Alcântara Maria Fernando Miguel Rafael Gonzaga Xavier João António Leopoldo Victor Francisco de Assis Júlio Amélio de Saxe-Coburgo-Gotha e Bragança.
Man stelle sich nur vor, Königin Maria II hätte den Park nach dem vollen Taufnamen ihres Sohnes benannt
Da hört sich Jardim do Principe Real doch wesentlich besser an…

Nach dem Principe Real D. Pedro, dem zukünftigen König Pedro V, gab es nur noch drei Männer, die den Titel eines Principe Real trugen.
Diese waren:

- D. Carlos, der spätere König Carlos I

- D. Luis Filipe, Sohn von König Carlos I, der bei einem Attentat im Jahre 1908 mit seinem Vater starb

- D. Afonso, Bruder von König Carlos I, nach der Ermordung seines Bruders Carlos I und seines Neffen Luis Filipe erhielt er den Titel nur provisorisch

Es mag also vier Principes Reais (= Mehrzahl von Principe Real) gegeben haben, aber D. Pedro ist der wahre Namensgeber des Parks und des Platzes.

Nach dem Sturz der Monarchie im Jahre 1910 wurde der Park in Jardim França Borges, einem Journalisten der vornehmlich republikanischen Hetztiraden verfasste, umbenannt und der Platz wurde in Praça do Rio de Janeiro umgetauft.
In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde aus der Praça do Rio de Janeiro wieder die Praça do Principe Real, aber der Park behielt bis heute den Namen Jardim França Borges, obwohl ihn heute kaum ein Lissabonner unter diesem Namen kennt.

Heute ist der Jardim do Principe Real ein mit Wasserbecken, Rabatten, Kiosken und Denkmälern angelegter Park, in dessen Mitte eine uralte, auf Stelzen ruhende und weit ausladende Zeder steht, der zum verweilen einlädt – eine kleine grüne Oase inmitten der hektischen Hauptstadt!

1 Kommentar:

  1. Eine sehr schöne, billdreiche Beschreibung. Sehr herzlichen Dank!

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